Sound It Out

Die Schallplatte ist tot – es lebe die Schallplatte!

Eine Filmkritik von Christian Horn

In Zeiten von mp3-Downloads, großen Online-Versandhändlern und Media-Markt-Ketten fristen kleine, unabhängig geführte Plattenläden der alten Schule ein zunehmend bedrohtes Nischendasein. Im rauen Nordosten Englands, der besonders stark unter der Wirtschaftskrise leiden musste, überlebte mit dem in der Kleinstadt Teeside gelegenen Vinylshop Sound It Out Records gar nur einer dieser Läden. Etwa 9000 Pfund konnte die Regisseurin Jeanie Finlay via Crowdfunding akquirieren, um dem Laden, seinem charismatischen Besitzer Tom Butchart und den obsessiven Stammkunden ein 75-minütiges filmisches Denkmal zu setzen. Gleichzeitig stellt Sound It Out auch eine Reise in die eigene Vergangenheit der Filmemacherin dar, die ihre Kindheit und Jugend nur drei Kilometer vom Plattenladen entfernt verbrachte und das Geschäft sowie dessen Betreiber daher seit langer Zeit persönlich kennt.
Im Zentrum des unaufdringlichen und herzlichen, von einem standesgemäß schicken Soundtrack getragenen Dokumentarfilms steht Tom Butchart, der seinen Laden mit großer Hingabe betreibt und den widrigen finanziellen Verhältnissen zum Trotz nicht ans Aufgeben denkt. Die Musik, das wird schnell klar, bedeutet ihm nämlich alles: Als wandelnde Enzyklopädie und bis ins Mark mit den verschiedenen Facetten der Kunstform vertrauter Geek, ist Butchart die Seele des Ladens und die erste Anlaufstelle für Kunden, die auf der Suche nach einem bestimmten Sound, einem Subgenre oder wie auch immer gearteten Raritäten sind – die Kundenempfehlungslisten und Algorithmen von Amazon & Co. braucht es im Sound It Out-Shop nicht, denn die Querverbindungen, Empfehlungen und Hintergrundinformationen liefert der Musik-Aficionado Tom Butchart persönlich, und zwar mit unübersehbarer Kompetenz und sichtlicher Leidenschaft.

Neben Gesprächen mit dem Betreiber selbst, porträtiert Jeanie Finlay den Plattenladen, indem sie einige der in aller Regel kauzigen (und fast ausnahmslos männlichen) Stammkunden in Interviews zu Wort kommen lässt. Da gibt es beispielsweise einen fanatischen Status Quo-Fan, der bereits hunderte Konzerte seiner Lieblingsband besucht hat, und als Plattensammler davon träumt, sein Archiv zur rechten Zeit einschmelzen zu lassen, um in einem Vinyl-Sarg unter die Erde zu kommen (eine Firma für dieses Vorhaben konnte er bereits auftreiben). Die Stammkunden wie Betreiber des Ladens sind Typen, deren Lebensinhalt die Musiklandschaft ist und die den Sound It Out-Laden, in dem auch kleinere Konzerte stattfinden, als einen Rückzugsort gefunden haben. Die meiste Zeit verbleibt der Dokumentarfilm in den mit Schallplatten jeglicher Musikrichtung vollgestopften Räumlichkeiten des Ladens und beinahe scheint es so, als würden die interviewten Menschen nur innerhalb dieser heiligen Mauern existieren – erst gegen Ende zeigt Jeanie Finlay einige der Interviewpartner in ihren Wohnungen, wo selbige stolz ihre Sammlungen zeigen und über die Bedeutung der Musik für ihr Leben reden.

Die aktuelle Lage der Musikindustrie sowie die wirtschaftliche Bedrohung kleiner Labels und Plattenläden bleiben in Finlays Low-Budget-Dokumentarfilm dabei (wohltuend) im Hintergrund. Das Hauptaugenmerk liegt ganz auf der kleinen Welt des nordenglischen Vinyl-Refugiums und den Menschen, die es dorthin verschlägt, auf den Marotten vernarrter Sammler und der bedingungslosen Liebe zur Musik.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/sound-it-out