Das Schwein von Gaza

Ein tierisches Vergnügen

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Was haben Palästinenser und Israelis gemeinsam? Richtig, beide essen kein Schweinefleisch. Das könnte doch der Anfang einer Art Völkerverständigung werden, dachte sich der französische Regisseur Silvain Estibal: Er zauberte aus der Idee mit dem Schwein eine herzerwärmende Geschichte, die als wunderbar verrückte Komödie funktioniert, ohne die reale Absurdität des israelisch-palästinensischen Konflikts zu verharmlosen. Völlig zu Recht wurde der Film 2012 mit dem César für den besten Debütfilm ausgezeichnet.
Im Mittelpunkt steht der palästinensische Fischer Jafaar (Sasson Gabay). Der fängt seit geraumer Zeit nur noch winzige Sardinen, weil die Israelis die Fanggebiete weiter eingeschränkt haben. Klar, Jafaar ist es gewohnt, dass ihm jede Menge Plastikteile, Flip-Flops und anderes unnützes Zeug ins Netz gehen. Trotzdem übertrifft der Schock jegliches Vorstellungsvermögen, als der arme Fischer ein leibhaftiges vietnamesisches Hängebauchschwein aus dem Wasser zieht, das von irgendeinem Tierfrachter gefallen sein muss. Bei allem Entsetzen ist der Überlebenskünstler aber gewitzt genug, um darüber nachzudenken, wie man aus dem lästigen und hochnotpeinlichen Fang doch irgendwie Geld schlagen könnte. Und sei es auf der anderen Seite der martialisch bewachten Grenze.

So gerät Jafaar an Yelena (Myriam Tekaia), eine russisch-jüdische Siedlerin. Auch sie weiß sich mit dem Schweineverbot zu helfen: Indem sie die Tiere auf Holzbrettern hält und somit verhindert, dass sie israelischen Boden betreten, was streng tabu wäre. Yelena ist durchaus an einem männlichen Schwein interessiert. Genauer gesagt, nicht an dem Tier an sich, sondern an seinem Samen.

Wie es sich für eine ordentliche Situationskomödie gehört, lässt Sylvain Estibal die Geschichte verhalten beginnen, streut bald ein erstes Highlight ein und dreht dann unerbittlich an der Schraube bizarrer Verwicklungen. Manchmal kippt der sonst realistische Stil dadurch auch ins Märchenhafte. Aber nie gibt Das Schwein von Gaza die Figuren der Lächerlichkeit preis.

Wer möchte, kann die Brisanz des Schauplatzes ausblenden und 94 Minuten pure Unterhaltung genießen. Aber dann überhört er den menschenfreundlichen Unterton, der im Gegensatz zum dogmatischen Blockadedenken das alltägliche Miteinander anklingen lässt. Das fängt schon damit an, dass die israelischen Wachposten das Klo in Jafaars Haus benutzen dürfen. Und es hört noch lange nicht damit auf, dass sich einer von ihnen danach ins Wohnzimmer schleicht, um einen Blick auf seine Lieblings-Soap zu erhaschen. Nicht von ungefähr hat sich der Regisseur mit Sasson Gabay (Die Band von nebenan) einen Israeli für die Darstellung seines palästinensischen Protagonisten ausgesucht.

Immer mal wieder lässt die Kamera den Blick über Hügel und Meer schweifen. Dann zeigt sie eine karge, sonnengesättigte Landschaft in schlichter Schönheit. Dass es sich hier eigentlich gut leben ließe, wissen Jafaar und seine Landsleute ebenso wie Yelena und ihre Mitstreiterinnen auf der anderen Seite des Zauns. Denn es gibt viel mehr Verbindendes als nur die gemeinsame Abneigung gegen Schweinefleisch.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-schwein-von-gaza