Dark Shadows

Blut ist dicker als Wasser

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Familie ist der einzig wahre Wert", lehrt Joshua Collins im Jahre 1750 seinen kleinen Sohn vor dem Aufbruch in die neue Welt. Ein Grundsatz, dem der erwachsene Barnabas (Johnny Depp) zwei Jahrzehnte später noch anhängt. Ebenso zwei Jahrhunderte später, als der zur Vampir-Existenz verfluchte Barnabas auf seinen verfallenden Familiensitz zurückkehrt. Zwar sind dessen Bewohner nicht mehr reich wie einst, dafür aber genauso stolz und was Skurrilität betrifft würdige Erben des untoten Helden von Tim Burtons komödiantischem Schauerstück.
Wie Barnabas´ konservativen Familienwerten ist dem zum Besitzer eines Fischfangbetriebs und Namensgeber des Städtchens Collinsport an Neuenglands Küste aufgestiegene Herrschaftsspross die verführerische Angelique (Eva Green) verhaftet, jedoch als sein Dienstmädchen unwürdig selbst den Blick zum Geliebten zu erheben. Dessen ermahnt sie die Mutter bei der ersten Begegnung mit Barnabas Collins. Zu ihrem Unglück befolgt Angelique elterliche Gebote nicht so artig wie er und erhebt nicht nur die Augen, sondern auch Ansprüche auf sein Herz. Das schlägt für die vornehme Josette (Bella Heathcote), was wiederum das von deren Rivalin bricht. Zu Barnabas Unglück ist die Verschmähte eine Hexe, deren Leidenschaft beim Wiedersehen neu entflammt. Ähnlich ergeht es Barnabas gegenüber Angelique und dem Kindermädchen der Collins. Victoria scheint die Reinkarnation seiner großen Liebe Josette und gibt Angelique erneuten Grund zur Eifersucht.

Der in museumsreifer Montur durch die Moderne schreitende Hauptcharakter ist nicht der einzige Wiedergänger von Dark Shadows. Die Kinoadaption ist selbst die Auferstehung der gleichnamigen Fernsehserie aus den 60er Jahren, die 60er-Jahre-mäßiger als sonst irgendwo scheinen in dem verschlafenen Küstenort, wo sich Disco-Plattengeschäft, Milchbar und ein Kino aneinanderreihen, auf dessen Anzeigetafel "Deliverance" neben "Superfly" steht. Eine Mischung, die so grotesk wirkt wie die von Hippies, Hipsters und Hafenarbeitern, deren von Christopher Lee gespielter Wortführer in einer pittoresken Matrosenkneipe nur darauf wartet, dass an seinem Tisch jemand wie Barnabas auftaucht. Den Spazierstock trägt der augenscheinlich, um nicht in Ohnmacht zu fallen angesichts von Kuriositäten wie Lava-Lampe, Röhrenfernseher und Makramee-Zierrat.

Die Handarbeiten von Elizabeth Collins Stoddard (Michelle Pfeiffer) sind nur eines der finsteren Geheimnisse des Familiensitzes Collinwood Manor. Elizabeths Tochter Carolyn (Chloe Grace Moretz) verbirgt buchstäblich animalische Triebe, der an Damien aus Das Omen erinnernde Cousin David (Gully McGrath) plaudert mit dem Geist seiner Mutter und Papa Roger (Johnny Lee Miller) hält nichts von Ehegelübden über das Grab hinaus. Zum Missfallen des neuen Hausherren, der mit dem Familienanwesen das antiquierte Moralverständnis seiner Zeit restauriert. Sexuelles Begehren, für das Angelique und die Hausärztin der Collins, Dr. Hoffmann (Helena Bonham Carter), bestraft werden, ist dem Hauptcharakter gestattet. Gleiches gilt für das Überschreiten von Klassengrenzen, die Barnabas´ Lust keine Schranken setzen, wohl aber der Lauterkeit seiner Gespielinnen. Nur die ebenfalls herrschaftliche und keusche Josette ist seiner würdig.

Das Szenario, das Barnabas als "perfekte Verschmelzung europäischer Eleganz und amerikanischem Unternehmergeist" lobt, ist die spekulative Koppelung romantischer Schauernovellen und tugendhafter Melodramen wie Love Story" - ein Meisterwerk für Barnabas, den Elizabeth ihrerseits lobt: "Er hat Anstand." Ein paar Morde schmälern selbigen nicht, zumal die Opfer lediglich Hippies und Bauarbeiter sind. Emanzipierte Arbeiterschicht und Frauen erscheinen als Erbfeind patriarchalischen Altweltadels.

"Sicher werden einige eingefleischte Dark Shadows-Fans monieren, dass die Originalserie nicht so humorvoll war", glaubt Produzent David Kennedy. Doch dazu besteht wenig Sorge: Die repetitiven Witze über Barnabas´ technische und soziale Befremdung nutzen sich schnell ab, genauso wie das konspirative Augenzwinkern, mit dem Burton anerkennt, dass was für Barnabas neumodisch für den Zuschauer altmodisch ist.

Für Burtons Abstieg von filmischer Originalität zu einem Horrorkabarett wachsender Beliebigkeit, das Hexen, Vampire, Geister und Werwölfe aus der unterentwickelten Figuren-Gallerie für mal mehr, meist minder unterhaltsame Revuenummern auf die Bühne zitiert, gilt auch Elizabeths Resümee angesichts des familiären Niedergangs: "Den Glanz besserer Tage müssen Sie sich dazu denken."

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dark-shadows