Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin

Der Autor als Gott

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Das Filmfestival von Locarno ist ja eher bekannt dafür unbekannte, schwierige Filme zu zeigen. Doch ab und zu muss auch mal etwas Leichteres her, weshalb die Kuratoren eine interessante Doppelvorführung anboten: Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin und Magic Mike. Zwei Filme, in denen faktisch der jeweils perfekte Geschlechtspartner dargestellt werden soll: für die Frauen gibt es einen muskelbepackten aber sensiblen Stripper, für die Männer gibt es Ruby.
Ruby (Zoe Kazan, die Enkelin des legendären Filmemachers Elia Kazan) ist rein technisch gesehen eigentlich kein richtiger Mensch. Sie ist eine Erfindung. Calvin (Paul Dano) ist ein junger Autor, dessen erstes Buch ein Bestseller war. Seitdem hat er nichts mehr geschrieben, der Druck ist zu groß für ihn. Doch eines Tages träumt er von Ruby und beginnt ihre Geschichte zu schreiben. Seine Worte werden zu Texten, zu Bildern, die so realistisch erscheinen, dass es kommt, wie es kommen muss. Eines Tages steht Ruby in Fleisch und Blut vor ihm. Seine Erfindung ist wahr geworden, er hat sich seine Traumfrau geschrieben. Nach anfänglichen Panikattacken könnte Calvin alsbald nicht glücklicher sein. Er findet heraus, dass Ruby alles tut, was er schreibt und schwört, diese Macht niemals zu nutzen. Doch wie in allen Beziehung kommt irgendwann der Punkt, an dem Probleme auftreten.

Auf den ersten Blick ist Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin eine sehr charmante romantische Komödie, deren Grundidee dem Genre einen hervorragenden und unterhaltsamen Twist gibt. Viel Lob haben sich die Regisseure Valerie Faris und Jonathan Dayton (Little Miss Sunshine) und die Drehbuchautorin Zoe Kazan schon einholen können. Der Film ist in den USA gut angekommen. Es macht Spaß den beiden Hauptdarstellern, die auch im wahren Leben miteinander liiert sind, bei ihrem Spiel zuzusehen. Für eine romantische Komödie ist der Film auch tatsächlich facettenreich, nicht alles ist rosarot und wunderschön, die üblichen Klischees werden weitestgehend umschifft. Und trotzdem, der Film hat ein ganz grundsätzliches und großes Problem. Denn die Botschaft des Filmes scheint nur auf den ersten Blick so fluffig bunt und anarchisch, wie Rubys bunte Strumpfhosen. Tatsächlich aber handelt es sich hier um eines der konservativsten amerikanischen Produkte seit langem.

Ab der zweiten Hälfte des Filmes, als die Beziehungsprobleme zunehmen, kristallisiert sich eine ganz altbackene Rollenvorstellung heraus. Dass die Grundidee mit der Vorstellung spielt, dass ein Mann tatsächlich in der Lage ist sich seine Traumfrau wie ein Gott selbst zu basteln, ist schwierig, kann aber doch dazu führen, dass Rollenmuster innerhalb des Filmes hinterfragt werden. So sieht es am Anfang auch aus, doch die Hoffnung hier einen transgressiven, intelligenten Film zu sehen, der mit dem üblichen bricht und endlich Raum schafft für Männer- und Frauenfiguren gleichermaßen, sich über Klischees hinaus zu entwickeln, wird nicht erfüllt. Im Gegenteil, das Ende des Filmes ist eine regelrechte Katastrophe: die weibliche Hauptfigur wird dominiert und missbraucht ohne eine Möglichkeit sich zu wehren. Im gesamten Film wird ihr keinerlei Platz gelassen sich zu entwickeln und über ihre Schablonenhafigkeit hinaus zu wachsen. Gleiches gilt für den Mann, der ebenfalls als Macht missbrauchender Schwächling dargestellt wird, der selbst in der letzten Minute des Filmes nicht versteht, was es heißt mit seinen Emotionen umgehen zu lernen.

Ist es wirklich noch nötig im Jahr 2012 Filme mit solchen armseligen Charakteren auszustatten, in einer Welt in der sich sowohl Männer, als auch Frauen schon längst über ihre einschränkenden Rollenvorstellungen Gedanken machen und diese neu definieren? Romantische Komödien aus den Vereinigten Staaten, so scheint es, werden wohl noch eine ganze Weile solche rückständigen Vorstellungen weiter propagieren.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/ruby-sparks-meine-fabelhafte-freundin