Bis zum Horizont, dann links!

Senioren starten durch

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Filme über Altenheime müssen eigentlich in kleine oder große Fluchten münden – zu trist ist der Alltag zwischen Essenfassen und Beschäftigungstherapie. Doch seit Bernhard Sinkels bahnbrechender Sozialkomödie Lina Braake von 1974 sind neue Ideen gefragt. Mit bloßen Remakes wie Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alle alt aus von Leander Haußmann ist es nicht getan. Bernd Böhlich scheint nun abzuheben in kreative Sphären. Er lässt die Alten ein Flugzeug entführen. Das klingt nach skurrilen Höhenflügen. Doch der Regisseur bevorzugt eher das sanfte Gleiten zwischen Komödie und Realismus.
"Abendstern" heißt das durchaus noble Heim, in das es Annegret Simon (Angelica Domröse) verschlägt. Die vornehme, gut aussehende alte Dame scheint genauso wenig in das Reich der Entmündigung zu passen wie der eloquente Eckehardt Tiedgen (Otto Sander), der hier schon acht Jahre lebt. Beide sind ebenso wach im Kopf wie traurig in der Seele. Mit ihrem trotzigen Sarkasmus weckt Frau Simon jedoch die eingeschlafene Lebensfreude des Herrn Tiedgen. Der besinnt sich während eines Selbstmordversuches eines Besseren und beschließt, die Pistole beim bevorstehenden Senioren-Rundflug zu alternativen Zwecken zu gebrauchen. Statt in der historischen "JU – 52" über Brandenburg zu kreisen, zwingt er die beiden Piloten zum Kurs nach Süden. Herr Tiedgen möchte das Meer sehen.
Für eine Komödie beginnt Bis zum Horizont, dann links recht verhalten, zum Teil sogar schwermütig. Das ist kein Fehler, denn auf diese Weise entwerfen die realistischen Bilder die ungeschönte Skizze einer Verwahranstalt auf luxuriösem, aber zugleich erniedrigendem Niveau. Wer vor dem Essen nicht "aufs Töpfchen" geht oder zur Schlafenszeit noch Schach spielt, den weist Schwester Amelie (Anna-Maria Mühe) freundlich, aber bestimmt in die Schranken.

Keine Frage, dass es so nicht weitergehen kann. Doch was dann kommt, hätte eigentlich einen Wechsel der Tonart verdient, weg vom braven Realismus, hin zu skurrileren Abenteuern. Stattdessen gerät die Flugzeugentführung zum harmonieseligen Sonntagsausflug. Rasch sind die Piloten vom guten Zweck der bösen Tat überzeugt. Und sogar Schwester Amelie gewinnt Gefallen am Freiheitsdrang ihrer Schützlinge, nicht zuletzt auch wegen der Aussicht auf ein Abenteuer mit dem jungen Kopiloten (Robert Stadlober). Was übrigens nicht die einzige Liebesgeschichte in der konventionell gestrickten Dramaturgie bleibt.

Sehenswert ist der Film natürlich wegen seines Starensembles, zu dem sich neben den Genannten noch die Komödianten Ralf Wolter ("Hadschi Halef Omar") und Herbert Feuerstein ("Schmidteinander") gesellen. Wegen der absehbaren und keineswegs klischeefreien Handlung gelingen den Darstellern aber nur einzelne anrührende oder witzige Momente. Zu einem Ganzen fügen sich die realistischen und komischen Elemente nicht. Diese Kombination hat der erfahrene Fernseh-Regisseur Bernd Böhlich in seinem ersten Kinofilm Du bist nicht allein viel besser hingekriegt. Aber vielleicht ist das auch eine Geschmacksfrage: Beim Schweriner Filmkunstfestival 2012 gewann Bis zum Horizont, dann links! den Publikumspreis.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/bis-zum-horizont-dann-links