Die Qual der Wahl

"Amerika, Jesus, Freiheit!"

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

"Amerika, Jesus, Freiheit!" - diese und ähnlich sinnbefreite Wahlslogans präsentiert Jay Roach (Meine Braut, ihr Vater und ich, Austin Powers) dem Publikum in seinem neuesten Kinostreich. Unter dem Titel Die Qual der Wahl treten hier Will Ferrell und Zach Galifianakis als Wahlkampfkandidaten gegeneinander an und schrecken vor keiner noch so dreckigen List zurück, um ihren Konkurrenten auszustechen.
Cam Brady (Will Ferrell) ist schon seit vier Amtsperioden Abgeordneter in Washington und vertritt einen kleinen aber feinen Wahlbezirk in North Carolina. Niemand hat an diesem Gebiet irgendeine Form von Interesse und so ist Cam bislang ohne Konkurrenz durchgekommen. Nicht so dieses Mal, denn die fiesen Motch-Brüder (John Lithgow und Dan Aykroyd) schicken den absoluten Newcomer Marty Huggins (Zach Galifianakis) ins Rennen, um ihre unmoralischen wirtschaftlichen Interessen zu vertreten. Huggins - selbst unwissend welche Machenschaften hinter der Finanzierung seiner Kampagne stecken - lässt sich mit Cam auf einen Wahlkampf ein, bei dem den Kandidaten jedes Mittel recht ist, um sich gegenseitig zu diskreditieren. Politische Inhalte spielen schnell eine untergeordnete Rolle und der im Grunde aufrichtige Marty droht neben seiner ehrlichen Haut auch seine Familie zu verlieren.

Dass die amerikanischen Wahlkämpfe anders ablaufen als hierzulande, ist inzwischen den meisten bekannt. Beträchtliche Summen fließen in die Organisation von Rededuellen der Kandidaten, pompöse Veranstaltungen und nicht zuletzt auch Merchandise-Artikel mit den entsprechenden Wahlslogans à la "Yes, we can!". Dass die Wahlkampfleiter dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielten, zeigte George Clooneys Film The Ides of March - Tage des Verrats. Einen satirischen Blick auf die Inhalte US-amerikanischer Wahlwerbung warf zuletzt das bitterböse Crowdfunding-Produkt Iron Sky. Die Qual der Wahl springt in gewisser Weise auf diesen Zug auf, nimmt sich dem politischen Geschehen aber eindeutig komödiantisch und recht einseitig an.

Im Zentrum der Kritik des Films steht die Finanzierung der Wahlkampfkampagnen durch Interessenvertreter aus der Wirtschaft. Dass Politik keine Frage der richtigen Überzeugung, sondern des Portemonnaies ist, betont Jay Roach in Die Qual der Wahl an verschiedenen Stellen. Leider hat sich seine Botschaft damit schon erschöpft und das Potential einer ernstzunehmenden Kritik des politischen Systems der USA wird zu Gunsten einer Aneinanderreihung von mittelmäßigen Schenkelklopfern verschenkt. Zugegeben: Die Qual der Wahl bietet einige gelungene Scherze, doch der insgesamt recht pubertäre Witz, der zuverlässig unter die Gürtellinie seiner Protagonisten zielt, verliert spätestens nach einer halben Stunde seinen Reiz. Der Film ist nur dann wirklich komisch, wenn er mit seinen Seitenhieben auf Politik und Wirtschaft ins Schwarze trifft, selten aber dann, wenn er die Kontrahenten bei der gegenseitigen Diffamierung zeigt. Cam und Marty begeben sich in die menschlichen Niederungen, die Gegenspielern vorbehalten sind, die über keinerlei intellektuelle Waffen (mehr) verfügen. Es kommt der Punkt, an dem sich der Zuschauer an den immer bösartiger werdenden Aktionen der beiden Kandidaten schlichtweg sattgesehen hat.

Dass in Jay Roachs Wahlkampfinszenierung reichlich Luft nach oben geblieben ist, hat sicher nichts mit Will Ferrel und Zach Galifianakis zu tun. Insbesondere Letzterer wächst in seiner Darstellung des verschrobenen Marty Huggins geradezu über sich hinaus. Mit einem immens körperlichen Schauspiel bringt er seine Figur und ihre Wandlung überzeugend auf die Leinwand und kann den Zuschauer durchweg für Marty einnehmen. Leider sind den Drehbuchautoren Chris Henchy und Shawn Harwell die Charakterzeichnungen nicht vollends geglückt. So bleibt Martys zunehmende Entfremdung von sich selbst und seiner Familie schwer nachvollziehbar und auch das Ende ist selbst für eine Komödie zu konstruiert geraten. Ganz in der Tradition des US-amerikanischen Mainstreamkinos endet der Film mit einer pathetischen Rede, die auf den Zuschauer ähnlich unglaubwürdig wirkt wie die im Laufe des Films vorgetragenen Wahlkampfparolen.

Schade, dass bei so viel Potential nur eine mittelmäßige Komödie entstanden ist. Die Qual der Wahl kann sein Publikum zwar unterhalten, wird aber niemandem lange im Gedächtnis bleiben und verschenkt somit die Möglichkeit, bei aller Komik auch eine ernstzunehmende Botschaft zu vermitteln. Es scheint, als habe Jay Roach unterm Strich auch nicht viel mehr zu sagen als die Politiker in seinem Film: "Amerika, Jesus, Freiheit!".

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-qual-der-wahl