Skyfall

Auferstehung oder Sackgasse?

Eine Filmkritik von Björn Helbig

"Auferstehung" erwidert James Bond im neuen Film Skyfall ohne zu Zögern auf die Frage, was denn sein Hobby sei. Und in der Tat kann man diese Antwort nicht nur als Motto für den aktuellen Film, sondern für die ganze Reihe sehen, die ja schon mehrere Wiedergeburten erfahren hat. Den vielleicht stärksten Einschnitt erlebte das Franchise durch die letzten beiden Teile Casino Royal und Ein Quantum Trost, seit denen Daniel Craig (München, Verblendung) die Rolle des berühmten Agenten inne hat. Doch vielen Fans und Kritikern gingen die Änderungen zu weit. So kann Skyfall als Versuch gesehen werden, die beliebten Eigenschaften der Vorgänger-Bonds mit den Stärken der Ära Craig zu verbinden. Das ist gelungen. Gerade so.
Der MI6-Agent James Bond (Daniel Craig) soll zusammen mit Agentin Eve (Naomie Harris) in Istanbul eine Liste wiederbeschaffen, auf der die Identitäten von zahlreichen V-Männern verzeichnet sind. Doch der Job geht schief. Bond wird angeschossen. Schwerverletzt taucht er unter und leckt sich die Wunden, während er mit Spiel, Sex und Schnaps den Misserfolg zu verdrängen versucht. Erst als er von einer Cyberattacke auf das MI6-Gebäude hört, entschließt er sich, wieder tätig zu werden und nimmt Kontakt zu MI6-Chefin M (Judi Dench) auf. Doch die Regeln des Spiels haben sich in seiner Abwesenheit geändert. M steht politisch unter Druck. Und auch Bond ist geschwächt. Hat er überhaupt eine Chance gegen den Super-Terroristen Silva (Javier Bardem), der hinter den Anschlägen stecken soll und vermeintlicher Besitzer der Liste ist?

Dank dem findigen Hollywood-Produzenten Albert R. Broccoli ist der britische Geheimagent James Bond – die Romanfigur des Schriftstellers Ian Fleming – seit den frühen 1960er Jahren auf der Leinwand unterwegs. Die Rechte an der Figur sind immer noch im Besitz der Familie Broccoli. Heute bestimmt Alberts Tochter Barbara die Geschichten und den Darsteller – und das mit viel Gespür für den Zeitgeist. Das Publikum konnte lange nicht genug bekommen von spektakulären Stunts, exotischen Drehorten und markanten Superschurken. Und natürlich auch nicht von dem charmanten Geheimagenten mit der Vorliebe für schnelle Autos, gut geschüttelte Martinis und geheimnisvolle Damen. Ermüdungserscheinungen sind während einer Zeitspanne von 50 Jahren allerdings unvermeidlich; es war Barbara Broccolis geschickter Schachzug, mit Casino Royal einen Neustart gewagt zu haben und die Geschichte mal ohne die bekannten Bond-Requisiten zu erzählen.

Skyfall stellt die Uhren in gewisser Weise abermals zurück – und zwar auf die Zeit vor Daniel Craig. Der aktuelle Film gibt James Bond viel von dem wieder, was ihm in den letzten beiden Teilen genommen wurde. 007 darf – auch wenn er nicht in bester körperlicher Verfassung ist – wieder mehr Held und Frauenschwarm sein, der im Smoking das andere Geschlecht verführt, aber auch nicht zögert, mit seinem Motorrad von einer Brücke auf einen Zug zu springen und von dort aus mit einem Bagger gegen seinen Widersacher zu kämpfen. An Sensationen mangelt es dem neuen Film wirklich nicht, obwohl Action nicht unbedingt das Steckenpferd des Regisseurs Sam Mendes (American Beauty, Away We Go) ist. Er beweist allerdings ein sehr gutes Händchen für überraschende Schauplätze, ob in der hitzeflimmernden Türkei, dem fiebrigen China, im mausgrauen England oder auf einer verlassenen Insel im Nirgendwo. Beim neuen Bekenntnis zu Superlativen braucht ein Superagent natürlich auch einen würdigen Superschurken. Hier hat Skyfall mit dem von Javier Bardem (No Country For Old Men, Biutiful) mit viel Freude an Overaction gespielten Silva einen der schrägsten Bond-Gegenspieler an Bord, den die Reihe bisher gesehen hat – denn wo andere die goldene Pistole oder den tödlichen Hut zückten, zeigt dieser einfach nur seine Prothesen. Silva ist kein subtiler Gegner und alle Szenen mit ihm sind dick aufgetragen – aber gerade in Bonds Verhältnis zu diesem Mann offenbart sich eine der Stärken des Films.

Denn Skyfall ist – zum Glück! – nicht nur Action-Film, sondern auch ein düsteres Familiendrama, welches gleichsam als Metapher für die politische Situation gesehen werden kann. Der Film vertraut dem Zuschauer noch ein Stück von Bonds Vergangenheit an und beleuchtet sein Verhältnis zu seinem Land, seinem Beruf und vor allem zu M, die in seiner Entwicklungsgeschichte einer Mutterfigur am nächsten kommt. Bond und Silva erscheinen hier wie die zwei Söhne Englands. Jeder ist anders mit den Kränkungen des Erwachsenwerdens umgegangen, jeder hat seinen eigenen Weg eingeschlagen. Guter Jedi, böser Jedi sozusagen. Diese Ebene des Films sollte auch nicht überinterpretiert werden, aber es ist beachtenswert, wieviel Subtext Mendes und die Autoren Neal Purvis, Robert Wade und John Logan in diesen Bond gesteckt haben.

Aber keine Angst: Skyfall ist kein verkopfter Film – im Gegenteil: Spannende Unterhaltung ist sein oberstes Ziel. Er soll gut aussehen, er soll Spaß machen. Und vor allem soll er die Fans von damals zurück in die Kinos holen, die Explosions- und Gadget-Freunde, denen die letzten beiden Bonds einfach zu wenig Bond waren. Dass Plausibilität und Logik deswegen manchmal etwas zu kurz kommen, wird dabei in Kauf genommen. Mit anderen Worten: Skyfall ist ein Film für Bond-Traditionalisten und die Fans der beiden Craig-Filme gleichermaßen. Doch Vorsicht: Der mit Skyfall eingeschlagene Weg könnte sich auch als Sackgasse erweisen. Hatte man es mit den letzten beiden Filmen endlich geschafft, das Franchise von verstaubten Strukturen zu befreien, steht nach nur kurzen sechs Jahren (fast) wieder der alte Bond vor uns – mit gut geschütteltem Martini und einem sexy Bondgirl im Arm, an seinen Aston Martin gelehnt. Wenn allein das mit "Auferstehung" gemeint ist, dann werden sich einige Zuschauer wünschen, dass sich 007 ein neues Hobby sucht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/skyfall