Anchorman - Die Legende kehrt zurück

Comeback ohne Mehrwert

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Humor lässt sich nur schwer auf einen Nenner bringen. Was witzig ist, bestimmen der eigene Geschmack und persönliche Erfahrungen. Während man selbst über einen Scherz herzhaft lachen kann, schüttelt der Nächste womöglich irritiert den Kopf. Ein Dilemma, mit dem sich Komödien stets arrangieren müssen. Das zeigt auch das Beispiel der Judd-Apatow-Produktion Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy, die 2004 in die Kinos kam und dem titelgebenden Helden zu einer gewissen popkulturellen Aufmerksamkeit verhalf. Einem selbstverliebten und politisch unkorrekten Moderator, der in den 1970er Jahren sein Unwesen treibt und als ironischer Kommentar auf das damalige Nachrichtengeschäft zu verstehen ist. Amüsante Einsichten und erschreckend fade Gags gehen dabei Hand in Hand, weshalb der Film keineswegs jedem zusagen dürfte. Dasselbe gilt für das nun erscheinende Sequel, das in erster Linie die Zutaten des Vorgängers recycelt.
Der lokale Nachrichtenstar Ron Burgundy (Will Ferrell) hat seine frühere Intimfeindin Veronica Corningstone (Christina Applegate) geheiratet und ist vom heimischen San Diego nach New York gezogen, wo die beiden für einen prestigeträchtigen Sender tätig sind. Als dessen Frontmann Mack Tannen (Harrison Ford) seinen Rückzug ankündigt, wittert Ron die große Chance auf den begehrten Prime-Time-Slot. Im Gespräch mit Tannen trifft ihn allerdings der Schlag, denn sein großes Vorbild ernennt Veronica zur alleinigen Nachfolgerin. Ron hingegen kann seine sieben Sachen packen. Enttäuscht und wütend zugleich, stellt der entlassene Nachrichtenmann seine Frau vor die Wahl: Er oder der neue Job. Da Veronica sich nicht erpressen lassen will, wendet sich Ron schließlich von ihr ab und zieht zurück nach San Diego. Dort hält er sich eine Zeitlang als Moderator einer Delfin-Show über Wasser, bis er aufgrund diverser Eskapaden erneut gefeuert wird. Burgundys Leben ist endgültig in einer Sackgasse angekommen, doch dann geschieht das Unglaubliche. Der brandneue Sender GNN (eine wirklich feinsinnige Anspielung!) plant erstmals in der Fernsehgeschichte, rund um die Uhr Nachrichten auszustrahlen, und will Ron als Anchorman gewinnen. Lange muss der Gestrauchelte nicht überlegen und trommelt kurzerhand sein altes News-Team aus San Diego zusammen: Wettermann Brick Tamland (Steve Carell), Sportberichterstatter Champ Kind (David Koechner) und Außenreporter Brian Fantana (Paul Rudd). Voller Tatendrang brechen die vier Freunde auf nach New York, um die Nachrichtenwelt für immer zu revolutionieren.

Auch wenn sich in seinem Leben einiges verändert hat, ist der Protagonist im Grunde noch immer derselbe. Seine Karriere steht an oberster Stelle, Frauen sind im Job eher lästig, und überhaupt sollte sich alles nur um seine Person drehen. Ein Narzisst vor dem Herrn, der selbst jede berufliche Aufstiegschance ergreifen würde, Veronica aber keine Erfolge gönnt. Wie im Vorgänger auch, arbeitet sich der Film ganz offensichtlich am Phänomen der Gleichstellung ab. Am deutlichsten kommt Rons rückständige Haltung in der Begegnung mit seiner GNN-Vorgesetzten Linda Jackson (Meagan Good) zum Ausdruck. Immerhin handelt es sich bei ihr nicht nur um eine Frau, sondern auch noch um eine Afroamerikanerin. Zwei Merkmale, die Burgundy partout nicht mit seiner Vorstellungwelt vereinbaren kann und daher beständig kommentieren muss, wenigstens zu Beginn. Witzig gemeint, schießen seine rassistischen Bemerkungen jedoch mitunter über das Ziel hinaus.

Ein weiterer Baustein, den Regisseur Adam McKay und Hauptdarsteller Will Ferrell aus dem ersten Teil ins neue Drehbuch überführen, ist der bewusst überzeichnete Konkurrenzkampf unter den männlichen Nachrichtenreportern. Machten Burgundy vorher einige Kollegen aus San Diego zu schaffen, muss er sich nun einer nationalen Größe stellen. Shootingstar Jack Lime (James Marsden) ist äußerst attraktiv und nicht zuletzt deswegen der Mann für die Prime Time bei GNN. Freuen dürfte vor allem Kenner des Erstlings, dass das Kräftemessen der beiden egomanischen Moderatoren und der unterschiedlichen Nachrichtenteams auch hier nicht ohne ein absurdes Kampfgetümmel auskommt. Der zweite Teil legt dabei sogar noch eine Schippe drauf, erhöht in der besagten Sequenz die Zahl der prominenten Gaststars und lässt sich auch bei den Spezialeffekten nicht lumpen.

Bis es zu dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, irrwitzigen Nachrichtenschlacht kommt, muss der Zuschauer allerdings so manche Durststrecke in Kauf nehmen. Denn das einmal mehr auf möglichst abgedrehte Einfälle setzende Drehbuch verliert viel zu häufig an komischer Zugkraft. Müde Kalauer und albernes Geplänkel lassen den Film ziemlich schleppend in die Gänge kommen und verbreiten zunächst eher gepflegte Langeweile. Zu den wenigen Lichtblicken im ersten Drittel zählt der grenzdebile Wettermann Brick (von Steve Carell herrlich überdreht verkörpert), der bereits im Vorgänger für so manchen Lacher gut war und hier quasi zum heimlichen Star avanciert. Wirklich gelungen ist beispielsweise sein erster Auftritt, als er bei seiner eigenen Beerdigung eine Trauerrede hält und von seinen Freunden erst überzeugt werden muss, dass er nicht gestorben ist.

Anchorman – Die Legende kehrt zurück ist dann am stärksten, wenn der Film die Mechanismen des Medienapparates genauer in den Blick nimmt. Mit Burgundys Rückkehr auf den Moderatorenstuhl fahren McKay und Ferrell zwar wenig subtile, aber treffende Geschütze gegen die seit den frühen 1980er Jahren stetig voranschreitende Boulevardisierung des Fernsehens auf. Um seine Sendung ins Gespräch zu bringen, beschließt Ron kurzerhand, nicht mehr Nachrichten zu vermelden, die wichtig sind. Sondern nur noch solche, die den Zuschauer wirklich interessieren. Das Ergebnis ist ein Lobgesang auf Amerika, der fortlaufend von emotionsheischenden Tiergeschichten und kommentierten Autoverfolgungsjagden begleitet wird. Information und Unterhaltung gehen damit fließend ineinander über. Ein Umstand, der heute allgegenwärtig ist (Stichwort: Infotainment). Ironischerweise lässt Rons Idee die Quoten sofort in die Höhe schnellen und den Protagonisten zum neuen Prime-Time-Champion aufsteigen.

Leider können derart bissige Momente nur selten länger nachwirken. Immer wieder gesellen sich neben die zeitkritischen Kommentare vollkommen belanglose Zoten oder alberne Slapstick-Einlagen, die weit im Voraus als solche zu erahnen sind. Ärgerlich ist auch die unnötige Streckung der Handlung mittels einer absurden Wendung, die den Schlussteil des bunten Treibens einläutet. Ferrell und Co scheinen so viel Spaß gehabt zu haben, dass sie das Ganze einfach weiterdrehen. Selbst auf die Gefahr hin, sich in manchen Punkten zu wiederholen. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten stellt sich durchaus die Frage, ob die Macher nicht doch auf eine frühere Idee hätten vertrauen sollen. Wie dem Presseheft zu entnehmen ist, spielten McKay und Ferrell zeitweise mit dem Gedanken, ein Prequel über das Kennenlernen der durchgeknallten Burgundy-Crew zu drehen. Allzu viel hätte es sicher nicht gebraucht, um daraus den besseren Film zu machen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/anchorman-die-legende-kehrt-zurueck