King Curling

"Die spinnen, die Norweger"

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wenn man das halbe Jahr keine Dunkelheit hat und das andere halbe Jahr nur Dunkelheit, muss das irgendwas mit dem menschlichen Hirn anstellen. Anders gesagt und dreist rezitiert: „Die spinnen, die Norweger“. Man ist ja einiges an filmischer Eigenartigkeit gewöhnt, besonders wenn es zum Genre der Komödie kommt. O’Horten, Ich reise allein, Ein Mann von Welt – die Norweger sind ganz weit vorn, was schräge Charaktere in absurden Lebensabschnitten angeht. King Curling passt in diese Riege wie die Faust aufs Auge und ist ebenfalls eine neurotische Anti-Helden Saga.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Truls Paulsen (Atle Antonson): kreisrunder Haarausfall, untersetzt, mit einem Schnurrbart, der Tom Selleck als Magnum die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Er ist King Curling, der ungeschlagene König des Nischensports Curling. Sein Trainer Gordon ist auch sein Ziehvater, ihm verdankt er alles, vor allem die Penibilität und Detailgenauigkeit, die der Sport verlangt. Leider kippt das System irgendwann und aus der Liebe zum Detail wird eine massive Neurose. Truls wird eingeliefert, Diagnose: Zwangsstörung. Zehn Jahre später wird er entlassen - mit einer Unmenge verschreibungspflichtiger Medikamente im Blut und unter Aufsicht seiner halb zu Tode blondierten Ehefrau. Die freut sich, denn jetzt hat ihr kleines Hündchen Pelle endlich einen Spielkameraden. Truls ist nur noch Schatten seiner selbst, bis ihn die Nachricht ereilt, dass Gordon nach ein paar Jahrzehnten Rauchen eine neue Lunge braucht. Spenderorgane gibt es aber keine, deshalb hilft nur eine Operation in einer amerikanischen Privatklinik für den schlappen Preis von einer halben Million Kronen. Und zufällig ist das auch der Gewinn der gerade anstehenden nationalen Curling-Meisterschaften. Das Prinzip ist klar, die alte Truppe voller Kauze wird wieder zusammengetrommelt und ab geht’s zu den Meisterschaften. Die Frage ist nur: Schafft es Truls, seine Zwangsstörungen im Zaum zu halten?

King Curling erfindet das Genre jetzt nicht neu. Im Gegenteil, er liefert genau das, was man erwartet. Abstruse Momente, völlig überzogene und neurotische Charaktere, Unmengen an Slapstick und Anti-Helden in Trainingsanzügen. Unter all der üblich absurden Oberfläche versucht der Film aber auch auf seine sehr eigene Art und Weise ein Thema zu verhandeln, das norwegischen Filmen fast immer innewohnt: psychisch völlig gestörte Menschen. Dabei kommt er aber, bis auf wenige Augenblicke voller Melancholie, nicht über oberflächliche Beobachtungen und eine Haltung, die sich mit der Fragestellung "Sind wir nicht alle irgendwie gestört?" umschreiben ließe, hinaus. Leider fehlt dem Film dann doch die Sensibilität für das menschlich Diffizile, die zum Beispiel in Ein Mann von Welt vorhanden ist. Eher grobschlächtig geht es hier zu, allzu zimperlich darf man nicht sein. Wer also genau das erwartet, dem liefert King Curling mal mehr, mal weniger gelungene Unterhaltung. Liebhaber der etwas feinsinnigeren Zwischentöne werden hier aber enttäuscht sein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/king-curling