Policeman

Innenansichten aus einem zutiefst gespaltenen Land

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Manchmal holt die Historie die Fiktion eines Filmes ein. Als der Regisseur Nadav Lapid im Jahr 2006 die Idee hatte, einen politischen Film über sein Land Israel zu machen, bei dem es um jüdische und nicht um palästinensische Terroristen geht, hätte man das wohl eher noch unter dem Genre Science Fiction einordnen müssen. Mittlerweile aber, so hat es den Anschein, ist Policeman eher eine Sozialstudie über ein zutiefst gespaltenes Land geworden.
Doch zurück zum Inhalt des Filmes. Dieser lebt von einer clever inszenierten Dichotomie: Eine Hälfte des Filmes wird aus der Sicht des Ha-Shoters (Anti-Terror-Polizist) Yaron (Yiftach Klein) gezeigt. Er und seine Freunde der Polizeieinheit sind perfekt trainierte Maschinen, allzeit bereit den Staat gegen Terror zu schützen. Dabei wird nicht viel nachgefragt oder gar gedacht – um genau zu sein ist es höchst surreal dieser israelischen Terroreinheit bei der Arbeit zuzusehen, erinnert ihr Kampfethos, ihr übermäßig machohaftes Verhalten und ihre Liebe zu Ehre, Kameradschaft und Vaterland doch verdammt an den Nationalsozialismus. Es wird noch komplizierter. Wenn Yaron nicht arbeitet, kümmert er sich zuhause liebevoll betont emotional um seine Freundin, die jeden Augenblick gebären kann. Der Zusammenschnitt dieser Bilder ergeben ein durchaus verstörendes Bild Yarons. Man kann ihn nicht fassen, zu weit auseinander liegen diese beiden Männer und beide wirken authentisch.

Die andere Seite der Medaille zeigt eine Gruppe junger Menschen, die einen gemeinsamen Plan schmieden. Sie haben genug vom Staat, in dem sie leben – sie wollen eine Revolution von innen heraus. Dazu schreiben sie – ganz klassisch – ein Pamphlet. Damit man ihnen auch zuhört, entführen sie auf einer Hochzeit drei Millionäre. Mit diesen als Geisel wollen sie erzwingen, im Fernsehen ihre Botschaft vorlesen zu können. Zugegeben, der Plan ist weder neu noch sonders intelligent, doch genau wie Yaron auf der anderen Seite sind sie wild entschlossen, ja geradezu besessen von ihrem Glauben an ein neues System. Und dann geschieht was geschehen muss: Die Besessenen treffen aufeinander. Yaron bekommt den Auftrag, zum ersten Mal Terroristen aus den eigenen Reihen und keine "Arabs" wie sonst zu eliminieren.

Dass Policeman kein Happy End haben kann, ist klar. Happy Ends, so hat man das Gefühl, haben im gegenwärtigen israelischen Kino momentan keinen Platz. Dafür bietet Nadav Lapids Film ein hochgradig einfühlsames Portrait einer völlig zerrissenen Gesellschaft, in der vor allem die jungen Leute leiden. Zu müde zum Innehalten und Reflektieren ist diese Generation, die zwischen dem täglichen Kampf ums Überleben in einem verarmenden Land und der ständigen Bedrohung von allen Seiten nur noch reagieren, nicht aber nachdenken kann. Und so ist die eigentliche Tragödie gerade diese: es treffen in dieser fatalen Nacht Menschen aufeinander, deren Leben nie wieder dasselbe sein wird und das alles nur, weil es keinen Raum mehr gibt, um auch nur einmal innezuhalten und durchzuatmen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/policeman