More than Honey

Das Leiden der Bienen an der intensiven Landwirtschaft

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Bienen sind für den Menschen nicht nur als Honiglieferanten wichtig. Ohne ihre Bestäubung würden Obstbäume keine Früchte tragen. Die Insekten und ihr sozialer Superorganismus sind für die Wissenschaft immer noch voller Rätsel. Aber seit Jahren ist vom weltweiten Bienensterben die Rede, ohne dass eine eindeutige Ursache dafür identifiziert werden konnte. Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof hat dieses Problem zur Ausgangsfrage seiner Dokumentation "More than Honey" gemacht, für die er um die ganze Welt gereist ist.
Die deutsch-schweizerisch-österreichische Koproduktion kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: "Die Bienen sterben nicht einfach an Pestiziden oder Milben oder Antibiotika oder Inzucht oder Stress: Es ist die Summe von allem. Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation." Imhoofs Fazit erscheint plausibel, wenn man dem amerikanischen Großimker John Miller bei der Arbeit zuschaut. Er ist ein Wanderimker, der seine 15.000 Bienenvölker von einer Obstplantage zur nächsten über Tausende von Kilometern fährt. Im Februar steht er in einer riesigen kalifornischen Mandelbaum-Plantage und freut sich über das Summen in den blühenden Baumkronen: "Das ist der Klang des Geldes." Was anfangs noch idyllisch aussieht, offenbart im Film bald seine Kehrseite. Auf den Monokulturen werden Pestizide verspritzt, die auch den Bienen schaden, die sich außerdem gegenseitig mit Krankheiten und Parasiten anstecken. Wie Millers Bienen sind auch ihre anderen Artgenossen in Nordamerika, Europa oder China längst auf Medikamente angewiesen, um zu überleben.

In China besucht Imhoof Landstriche, in denen es wegen des massenhaften Pestizideinsatzes überhaupt keine Bienen mehr gibt. Hier müssen Menschen die Bestäubung der Apfelbäume übernehmen: Pollenhändler kaufen im Süden des Landes Blüten und bringen den Pollen in den Norden, wo er manuell von Baum zu Baum auf die einzelnen Blüten getupft wird. In der Schweiz trifft Imhoof einen Bergimker, der auf die robuste alte Landrasse seiner Völker schwört. Doch auch er bleibt vom Bienensterben nicht verschont, denn die Insekten gehen schließlich an Inzucht ein. Der spannende, im ständigen Wechsel der einzelnen Drehorte geschnittene Film widmet sich aber nicht nur der Kritik an der landwirtschaftlichen Produktion. Imhoof bleibt unsichtbar für die Kamera, erzählt aber im Off von seinem Großvater, der 150 Bienenvölker besaß, und besucht in Australien seine Tochter und seinen Schwiegersohn, die genetische Forschung an Bienen betreiben und mit neuen Kreuzungen experimentieren.

Die Insekten werden selbst zu Darstellern in diesem Film, der mit eindrucksvollen Makroaufnahmen aufwartet, Bienen im Flug mittels Minihelikopter begleitet und mit Endoskop-Objektiven in das Innere des Bienenstocks blickt. Imhoof baute für diesen Zweck am Stadtrand von Wien ein Beobachtungsstudio auf, wo an 35 Drehtagen mit 15 Bienenvölkern gearbeitet wurde. Man erlebt das Schlüpfen einer Königin, sieht sogar draußen in der Luft die Begattung beim Jungfernflug. Auch die wissenschaftliche Forschung über die Intelligenz des einzelnen Insekts wird gestreift. Die Vielfalt der angeschnittenen Themen lässt einen sowohl über diese wundersamen Insekten staunen, als auch über das, was der Mensch alles mit ihnen anstellt. In Österreich besucht Imhoof Züchterinnen, die ein Volk dazu bringen, 51 Königinnen zu produzieren, die dann per Post zu den Käufern verschickt werden.

Ausgerechnet in der gefürchteten Killerbiene, einer aus einem brasilianischen Labor entwichenen Kreuzung von europäischer und afrikanischer Biene, erkennt Imhoof einen Ansatz dafür, dass die Natur womöglich wieder zu richten imstande ist, was der Mensch mit seiner intensiven Landwirtschaft verbockt hat. Er besucht einen amerikanischen Imker, der die längst auch in die USA eingewanderten, wilden Killerbienen hält, weil sie mehr Honig produzieren und keine Medikamente brauchen. Selbst die berüchtigte Varroamilbe kann sie nicht vernichten. Diese informative und gleichzeitig auch emotionale Annäherung an das Universum der geheimnisvollen Insekten, auf die der Mensch so stark angewiesen ist, hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/more-than-honey