Alexander Granach - Da geht ein Mensch

Vom Stetl in die weite Welt

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eigentlich hieß Alexander Granach ja Jessaja Szajko Gronish. Eigentlich war er ein krummbeiniger, jüdischer Bäckerlehrling, der irgendwo in einem Stetl im östereichisch-ungarischen Kaiserreich lebte. Doch "eigentlich" reichte Granach nicht. Nach einem Theaterbesuch mit seinem älteren Bruder war es um ihn geschehen. Er wollte, nein – er musste Schauspieler werden. Wer mit solcher Inbrunst sein Schicksal in die Hand nimmt, so lehrt die Geschichte, aus dem wird auch was. Und genau so ist es geschehen. Als Granach 1944 verfrüht an einem Blinddarmdurchbruch verstarb, befand er sich in den USA und war dort ein erfolgreicher Schauspieler. Was zwischen dem Anfang und dem Ende seines Lebens geschah, ist manchmal unglaublich, manchmal inspirierend, vor allem aber ein spannendes Leben, das, wie für viele Menschen dieser Zeit, stark mit der politischen Weltlage und den beiden Weltkriegen verknüpft ist. Granach sollte einer der geläufigen Namen großer Schauspieler der Weimarer Republik sein – seine wohl bekannteste Rolle hat er in Murnaus Nosferatu. Doch obwohl er nicht minder schillernd als seine Kollegen Fritz Lang, Max Schreck und viele andere mehr ist, wurde er über die Jahre doch vergessen.
Um dem Vergessen entgegenzuwirken, hat Angelika Wittlich nun seine kurz vor seinem Tod verfasste Autobiografie verfilmt. Der Film ist semi-dokumentarisch, einerseits fährt die Regisseurin an Orte des Geschehens, zeigt Fotos und Tonaufnahmen des Schauspielers, interviewt seinen Sohn und andere noch lebende Zeitzeugen. Andererseits lässt sie Juliane Köhler als Granachs Geliebte, die Schweizer Schauspielerin Lotte Lieven, auftreten und aus seinen Briefen an sie vorlesen. Zudem steuert der Schauspieler Samuel Finzi Passagen aus Granachs Autobiografie bei, nach der auch der Film benannt wurde.

Historisch gesehen ist der Film eine außerordentlich akribische Recherchearbeit geworden, die versucht so genau und flächendeckend wie möglich das mitunter turbulente Leben Granachs darzustellen. Auf filmischer Ebene führt dies jedoch, trotz der Versuche Diversität zu erzeugen, sehr bald zu Ermüdungserscheinungen. Dennoch läuft der Film niemals Gefahr, "Docutainment" im Stile eines Guido Knopp zu sein; vielmehr gefällt die Geradlinigkeit, mit der Wittlich das Thema bis zum Ende hin verfolgt. Letztendlich ist aber nicht auszuschließen, dass nicht ganz so interessierte Zuschauer, oder jene, die mit schnellerem Kino sozialisiert sind, hier erhebliche Probleme bekommen werden.

Auf Alexander Granach – Da geht ein Mensch muss man sich einlassen, denn der Film ist – wie die Historie Granachs selbst – keine leichte Kost. Wem dies jedoch gelingt, der wird hier mit einer ungeheuer spannenden Lebensgeschichte belohnt, die zudem gerade für filmhistorisch Interessierte einiges Neue bereithält.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/alexander-granach-da-geht-ein-mensch