Ende der Schonzeit

Dreiecksdrama im Schwarzwald

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ein Film, der auf einem Schwarzwaldhof spielt, darf nicht auf Hochdeutsch daherkommen. Als Alibi wird in Ende der Schonzeit allenfalls die eine oder andere Silbe verschluckt, ansonsten wird das Deutsch gesprochen, das in viel zu vielen deutschen Film gesprochen wird, eine irgendwie künstliche, irgendwie aufgeschrieben wirkende Sprache, die leider der Authentizität im Weg steht, die dieses bäuerliche Drama aus der Nazizeit eigentlich haben sollte.
Eigentlich aber macht Franziska Schlotterer in ihrem Debütfilm fast alles richtig: Kantige Charaktere in einem packenden Melodram, Figuren, die nicht aus ihrer Haut können, Historie, die beiläufig eingeflochten ist, das politische System, das ins private hineingreift. Gefilmt als runde, emotionale Geschichte, ein Dreiecksverhältnis, das durch die Umstände gebildet wurde und durch die Umstände sich wieder auflöst, ohne dass ein Ausweg gefunden würde.

Der Jude Albert ist auf der Flucht. 1942 will er über den Rhein in die Schweiz, wird von Bauer Fritz aufgegriffen und auf dem Hof versteckt, zunächst argwöhnisch beäugt von dessen Frau Emma. Fritz braucht einen Erben, und Albert soll aushelfen – er soll den Stammhalter zeugen, den Fritz sich wünscht: "Wenn die Kuh kalben soll, führe ich sie zum Stier." Dass sich daraus Probleme ergeben, emotionale, kann er sich nicht vorstellen; und wird Opfer davon. Mit Gefühlen kennt er sich nicht aus, Eifersucht bleibt dennoch nicht aus. Zumal Emma, die verschlossene, isolierte Frau, in den Zeugungsakten mit Albert eine Zärtlichkeit findet, die sie nicht kannte. Nach der sie sich zu sehnen beginnt. Während Albert, stets bedroht durch den örtlichen Obernazi, an Emma Gefallen findet, zugleich Fritz loyal verbunden ist, und sein eigenes Überleben im Blick haben muss.

Brigitte Hobmeier spielt die verhärmte, vertrocknete Emma als eine Un-Frau, die überraschend ihr Frausein entdeckt. Hans-Jochen Wagners Bauer Fritz ist wortkarg, unsensibel, ein Hauklotz von einem Mann, der nicht umgehen kann mit anderen Menschen – das Klischee des rauen, grobgehauenen Bauern, würden nicht Regie und Buch ihm Szenen schenken, in denen er in seinen Unzulänglichkeiten verloren wirkt. Christian Friedel, der verängstigte Jude Albert, duckt sich scheu weg – und lässt sich zugleich auf ein unmoralisches Angebot ein, das ihm das Überleben sichern soll, das ihm auch etwas wie Liebe bringt.

Es gibt keine der üblichen Nazi-Bilder, das macht den Film interessant: Dass das Dreiecksdrama auf dem Hof beinahe wie abgekoppelt wirkt vom Unwesen der Nazis, und dass es doch stets rückgebunden ist, nicht nur durch Fritz’ Freund vom Partei-Ortsverband, der ein Auge zudrückt, wenn der Bauer wieder wildern geht; einen Juden aber natürlich niemals dulden würde...

Die Tragödie auf dem Hof um Sex und Liebe, um Versteck und Verrat erzählt Franziska Schlotterer mit starken Bildern – in die sich freilich zu oft Symbole und Metaphern einschleichen. Wenn Albert den knorrigen alten Apfelbaum zurückschneidet und der durch diese Pflege wieder austreibt; wenn der betrunkene Fritz die Haustür nicht aufbekommt und Albert für ihn den Schlüssel reinsteckt; wenn Albert für Fritz ein feines, handgekerbtes Medaillon für Emma anfertigt; wenn Fritz Albert bei der Wilderei einen Schuss abgeben lässt: zuviel des Guten – wo einerseits der fehlende Dialekt der Wahrhaftigkeit, dem Realismus des Erzählens entgegensteht, stellt sich andererseits auch der Symbolismus entgegen.

Am Ende beschreibt Schlotterer zu breit, was wir schon wissen, unnötigerweise - als würde sie ihrem Film nicht ganz trauen. Dabei ist er über weite Strecken so stimmig.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/ende-der-schonzeit