Camille - Verliebt nochmal!

Zurück in die Pubertät

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Meistens ist es ja keine so gute Idee, die Regie zu übernehmen, das Drehbuch zu schreiben und dann noch die Hauptrolle zu spielen. Doch im Falle von Camille Redouble ist dieses Vorgehen dann doch sinnvoll. Denn in seinem Kern ist der Film ein sehr persönliches und intimes Werk über Camille (Noemie Lvovsky), die sich fragt, wie sie im Leben an den Punkt gekommen ist, an dem sie sich jetzt befindet. Und der ist - wenn man es ohne jede Illusion betrachtet, nicht gerade ein Höhepunkt in der persönlichen Entwicklung: Camille ist in ihren Vierzigern, trinkt viel zu viel Alkohol und ist kurz davor, von ihrem Exmann aus der Wohnung geworfen zu werden. Ihr Leben liegt in Scherben und sie fragt sich, wann das genau anfing und wie es so weit kommen konnte, dass die Liebe ihres Lebens jetzt nur noch der genervte Ex ist.
Dann wacht Camille eines Morgens auf und ist zurück in ihrer Jugend, in ihrem Körper, als sie sechzehn war und kurz davor, den Mann ihres Lebens zu treffen – also genau jener Zeitpunkt, der sich später in der Rückschau als Knackpunkt all ihrer Probleme erweisen wird. So weit, so vertraut - doch zum Glück ist Camille Redouble keine amerikanische Teeniekomödie mit Lindsay Lohan, sondern smartes französisches Arthousekino, weshalb einem das so gut bekannte „Ich ändere mein Leben und alles wird gut“-System amerikanischer Prägung erspart bleibt. Denn – und das macht diesen Film nicht nur sympathisch, sondern auch so realistisch und universell in seiner Botschaft – Camille ist nicht da, um ihr Leben umzubiegen. Ihre Zeitreise macht nicht alles besser. Vielmehr fungiert hier der Zeitreisetrick zu einem bildstarken Auseinandersetzen mit der eigenen Person und dem eigenen Leben. Camille entdeckt eines sehr schnell: Egal ob 16 oder 45 Jahre alt - Camille ist Camille und kann genau deshalb nur in den Grenzen ihrer eigenen Persönlichkeit agieren.

Doch der Film hört hier nicht auf, es gibt eine zweite Ebene, die unglaublich viel Spaß bereitet. Nicht nur ist es der Zeitsprung in die 1980er Jahre, ein Jahrzehnt mit dem sich wohl die meisten der Zuschauer identifizieren können, es ist auch ein haltloses, lautes und geradezu befreiendes Zelebrieren der eigenen Jugend – allerdings nicht im Sinne von "ach wie schön und dünn war ich damals" - eher im Sinne davon, wie dumm man als Teenager war. Und wie sehr man gleichzeitig das Leben einfach ohne langes Zögern oder Nachdenken gelebt hat. Mit unglaublich zauberhaftem Temperament und einer den Bildschirm ausfüllenden inneren Wärme tanzt sich die Regisseurin/Drehbuchautorin/Hauptdarstellerin durch die Nächte ihrer zweiten Jugend wie damals Sophie Marceau in La Boum - Die Fete.

Der unbändige Lebenswille dieses Films, seine ungebremste Vitalität und sein Optimismus übertragen sich auf das Publikum und machen Camille Redouble zu einem frischen Kinoerlebnis und einem fetten Denkzettel. Denn, ganz ehrlich – wann waren wir das letzte Mal einfach aus und haben gefeiert, bis uns eine Freundin die Haare aus der Kloschüssel halten musste? Vielleicht ist es ja mal wieder Zeit dafür.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/camille-verliebt-nochmal