The End of Time

Durch Raum und Zeit

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Gleich zu Beginn erleben wir ein Déjà-vu: Unterlegt von einem düster-martialischen Score und illustriert von Archivaufnahmen springt Joe Kittinger, Pilot der US Air Force, am 16. August 1960 aus einer Raumkapsel, die in 31 Kilometern Höhe über der Erde schwebt, mit einem Fallschirm auf die Erde und erinnert uns an die mediale Aufregung, die der mit Brausemillionen ausgestattete Extremsportler Felix Baumgartner vor einigen Monaten verursachte. Kittinger, der während des Rekordsprungs des Österreichers als "chef de mission" fungierte, erlebte während seines Sprungs ein Phänomen, das zum Ausgangspunkt von Peter Mettlers bildgewaltigem Filmessay The End of Time wird: Im Weltraum scheint die Zeit still zu stehen, bis die Wolken als Bezugsgröße sichtbar werden und dem Schwebezustand in Nirgendwo und Niemals ein Ende bereiten.
So buchstäblich sprunghaft wie der Beginn ist auch der Rest des Films, der sich eher assoziativ als stringent am Begriff der Zeit und den verschiedenen Perspektiven auf das Phänomen entlanghangelt. Vom Teilchenbeschleuniger im CERN in Genf über Hawaii, Detroit, Indien bis nach Toronto zu seiner kranken Mutter führt die filmische Reise, von der zwar nicht die schwammig bleibenden Thesen und fragmentarischen Früchte der Recherche, vom Filmemacher selbst mit mystisch raunendem Unterton vorgetragen, immerhin aber die Bilder im Gedächtnis haften bleiben. Selten sah man Lava schöner fließen, wirkten die ruinösen Stadtlandschaften der einstigen Motor City Detroit bedrückender, das Lichterzucken und die rhythmische Ekstatik eines Techno-Schuppens verführerischer.

Gegen Ende des abstrakt-naturalistischen Bilderbogens, der sich doch erheblich in die Länge streckt und manchmal so zäh erscheint wie die träge zu Tale fließende Lavamasse, lässt Mettler seiner Imagination freien Lauf und komponiert aus Licht, Dunkel und Klängen einen zuckend-delirierenden "stream of consciousness", der fast schon wirkt, als hätte hier ein anderer Meister des Metaphysischen – nämlich Terrence Malick - die Hände im Spiel. Nicht nur bei diesem Exkurs, aber besonders dort wird deutlich, dass The End of Time eigentlich ein Film ist, der viel eher ins Museum gehört oder in einen Meditationsraum als ins Kino. Wobei man spätestens seit Koyaanisqatsi (1982, Regie: Godfrey Reggio) weiß, dass ein Filmtheater manchmal durchaus auch ein Ort der Kontemplation und des Versinkens in Bilderwelten sein kann. Dennoch verwundert es schon ein wenig, wie sehr Mettler sein Essay auf Überwältigung aufbaut und wie wenig auf Erkenntnis. Die muss man sich als Zuschauer schon selbst aus dem Strom der Bilder und Töne herausdestillieren. Es bleibt zu befürchten, dass dies nur den allerwenigsten Besuchern gelingen mag.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-end-of-time