Thy Womb

Suche Frau für meinen Mann

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Fasst man die wesentliche Handlung von Brillante Mendozas Thy Womb zusammen, stößt man dabei schnell auf Formeln, die klingen, als seien sie direkt den 1950er Jahren entsprungen: "Suche Frau für meinen Mann". Natürlich wird solch eine Verknappung dem Film nicht gerecht, andererseits steckt gerade in dieser Zuspitzung auch ein Körnchen Wahrheit. Und die besteht im Wesentlichen darin, dass sich Mendoza für eine eigentlich recht überschaubare Geschichte viel Zeit lässt.
Thy Womb spielt nicht wie sonst häufig in Mendozas Filmen in den Slums der Hauptstadt Manila, sondern an einem Flecken ganz am Rande der Philippinen. Auf der Inselgruppe Tawi-Tawi an der Grenze zu Malaysia lebt das Volk der Bajau in einfachen Hütten, deren Fragilität und Baufälligkeit viel über die sozialen Umstände der indigenen Volksgruppe erzählen. Dort lebt die Hebamme Shahleha (Nora Aunor, die so etwas wie die große alte Dame des philippinischen Kinos ist) gemeinsam mit ihrem Mann Bangas-An (Bembal Roco), der sie zu den Geburten begleitet. Zwar scheint diese Frau ganz eins mit sich zu sein, wenn sie wieder einmal einem Kind auf die Welt hilft – von jeder ihrer Geburten nimmt sie ein Stück Nabelschnur mit, das sie in ein Tüchlein gehüllt bei sich zuhause aufhängt. Doch Bangas-An wünscht sich immer noch sehnlichst, selbst Vater zu sein sein, schließlich ist ein Kind ein Zeichen für die Gnade Allahs. Weil Shahleha aber selbst unfruchtbar ist, macht sie sich auf die Suche nach einer Zweitfrau für ihren Mann, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Doch natürlich gestaltet sich die Suche schwierig – nicht zuletzt deswegen, weil bei aller Selbstlosigkeit der Hebamme deren Gefühle in Aufruhr geraten. Schließlich findet sich eine junge Braut, deren Mitgift das Ehepaar aufbringen kann, doch die Frau hat eine Bedingung, die sie erfüllt sehen will...

Wie schon Mendozas letztes Werk Captive, bei dem Isabelle Huppert mitwirkte, so spielt auch Thy Womb in der atemberaubenden Natur des Inselreichs im Pazifischen Ozean. Im Gegensatz zu Captive aber, der die wahre Geschichte einer Entführung durch Rebellen in hektische Bilder kleidete und alle Register einer systematischen Desorientierung zog (was ehrlich gesagt enorm anstrengend war), ist Thy Womb ein viel ruhigerer, manchmal fast elegischer Film, der sich immer wieder Zeit nimmt, um abzuschweifen und paradiesische Idyllen zu zeigen, wie man sie nicht allzu oft zu sehen bekommt im Kino.

Mit großer Beiläufigkeit webt Mendoza Hinweise auf das Umfeld von Shahleha und Bangas ein, zeigt (gerne auch mal nur auf der Tonspur), dass staatliche Gewalt und Schießereien, Piratenüberfälle und der Kampf ums Überleben hier den Alltag prägen. Die Menschen, die sich inmitten dieses Chaos bewegen, begegnen ihrem Schicksal äußerlich nahezu unbewegt und mit stoischer Gelassenheit, ohne Klagen macht sich Shalehah auf die Suche nach einer Zweitfrau für ihren Mann, nimmt jeden Rückschlag bei dieser belastenden Suche ohne Murren hin, so als habe sie aufgrund der Gebräuche und Traditionen ihrer islamisch geprägten Gemeinschaft (allein schon die Religionszugehörigkeit markiert die Protagonisten im überwiegend streng katholisch geprägten Inselreich als Außenseiter) gar keine andere Wahl.

Zwar ist Thy Womb kein inhaltlich komplexer Film, dennoch fordert er den Zuschauer mit seinen Abschweifungen und teilweise ungewöhnlichen Montagen, die jeder westlich geprägten Dramaturgie fundamental zu widersprechen scheinen, dazu heraus, sich für 100 Minuten auf eine ganz andere (Welt)Sichtweise, einen ganz anderen Rhythmus einzulassen, als es dieser gewohnt ist. Weil Gefühle in Thy Womb nicht in den Fokus der Narration gezerrt werden, sondern sich eher beiläufig vermitteln, vermittelt Brillante Mendozas Film ganz nebenbei einiges an Eindrücken über den Alltag auf den Philippinen, die man sonst nirgendwo zu sehen bekommt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/thy-womb