Rosia Montana - Dorf am Abgrund

Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles...

Eine Filmkritik von Niklas Loynes

"Welches europäische Land nimmt seiner Bevölkerung den Besitz ab und verkauft ihn ins Ausland?" fragt sich eine alte Frau, die ihr Haus partout nicht für das örtliche Minenprojekt hergeben will. Dem Dokumentarfilm Rosia Montana – Dorf am Abgrund nach zu urteilen macht Rumänien genau das. Die eigene Bevölkerung wird enteignet und verarmt.
Das Karpatendorf Rosia Montana liegt im Westen Rumäniens, seit Menschengedenken wird hier Bergbau betrieben. Erst von den ursprünglichen Siedlern, dann von den Römern, den Kommunisten und von der neu gegründeten demokratischen Regierung Rumäniens. Jedenfalls bis 2006, dann muss der staatliche Bergbau eingestellt werden – eine Vorbedingung zur Aufnahme in die EU.

Wie wünscht man sich also Bergbau in Brüssel? Natürlich: Privatwirtschaftlich, am besten mit Investoren aus dem Ausland. So kam es dann auch; die in Kanada ansässige Investmentfirma Gabriel Resources kommt nach Roșia Montana, um ein Goldabbauprojekt im großen Stil zu starten und jedes letzte sandkorngroße Stück Gold in Profit umzuwandeln. Die meisten Bewohner des ärmlichen Dorfes werden umgesiedelt, sie erhalten ein schönes neues Haus im Neubaugebiet. Einige wenige jedoch bleiben hartnäckig, sie wollen um jeden Preis in ihrer Heimat bleiben.

An dieser Stelle setzt Rosia Montana – Dorf am Abgrund von Regisseur Fabian Daub an. Zahlreiche Bewohner des Dorfes werden interviewt, sie erzählen ihre Geschichte; das was sie mit ihrer Heimat verbindet. Und sie stellen klar, dass sie keineswegs ihre Heimat, in der sie Kinder bekommen oder ihre erste Liebe geheiratet haben, verlassen werden.

Ihnen entgegen stehen die Antagonisten, die Vertreter der Gold Corporation und andere Interessenvertreter: Politiker, Bürokraten und scheinbar korrupte PR-Leute, die gebetsmühlenartig betonen, welche enormen Vorteile das Projekt für ihre Region bringen werde, wie es Arbeit und Wohlstand bieten kann.

Tatsächlich wirkt das Dorf Rosia Montana im Film zwar auf seine eigene Weise schön und beschaulich. Ganz anders die verbliebenen Einwohner: Man sieht ihnen an, wie Armut und Arbeitslosigkeit an ihnen zehren und man fragt sich: Weshalb das ganze Leid? Warum verweilen sie im verlassenen Dorf, wenn die Nachbarn entweder weggezogen oder tot sind? Warum ein Leben ohne fließendes Wasser und Gas, wenn sich die Möglichkeit einer modernen Wohnung im Neubaugebiet bietet – eventuell sogar mit den alten Nachbarn?

Sicherlich gibt es hierfür gute Antworten. Leider schafft es Rosia Montana – Dorf am Abgrund nicht, dem Zuschauer glaubhaft zu erklären, was die Bewohner an diesem Ort hält. Auch erfährt der Zuschauer nichts über die Risiken des Bergbaus, die über den Verlust der Heimat hinausgehen - ist die Umwelt in Gefahr, sind lokale Wirtschaftszweige bedroht? Dies alles sind Fragen, auf die der Film keine Antwort gibt, weil die entsprechenden Experten – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Sprache kommen. Stattdessen versucht Rosia Montana – Dorf am Abgrund, das Thema zu emotionalisieren, tut sich aber schwer damit, weil keine der Geschichten wirklich ausgeführt wird.

Dennoch sollte man die filmische Arbeit nicht verkennen: Spektakuläre Luftaufnahmen zeigen, wie atemberaubend schön die Landschaft der rumänischen Karpaten ist und deuten auch an, wie sich diese durch das Projekt schlagartig verändern kann. Diese beeindruckenden Bilder geben einen viel stärkeren Impuls zur Ablehnung des Projekts als die Interviews mit den Betroffenen. Am Ende des Filmes versteht man zwar den erbitterten Widerstand der Bewohner gegen die Umsiedlung und teilt deren Emotionen, aber warum genau das so ist, das weiß man leider nicht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rosia-montana-dorf-am-abgrund