Rambo - First Blood (1982)

One (Broken) Man Army

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Es gibt Filme, denen eilt zu Unrecht ein gewisser Ruf voraus. „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978) von John Carpenter ist so ein Film: Er gilt als Paradebeispiel für rabiates Gemetzel – setzt aber, gänzlich unblutig, auf Atmosphäre und ein Spiel mit Licht und Schatten. Sein Ruf entstand vor allem durch die zahlreichen Nachahmer und Sequels, die den angedeuteten Horror im wahrsten Sinne des Wortes ausschlachteten. Auch „Rambo“ (1982) von Ted Kotcheff zählt ohne Zweifel zu den Werken, deren Image gar nicht so viel mit ihnen selbst zu tun hat, sondern eher mit der Art und Weise, wie sie die Popkultur im Laufe der Zeit beeinflusst haben.

Der (deutsche) Filmtitel Rambo beziehungsweise der Nachname des Protagonisten John Rambo wurde international zum Inbegriff einer grobmotorischen Kampfmaschine, die imstande ist, alles plattzumachen, was sich ihr in den Weg zu stellen wagt. Und der Hauptdarsteller Sylvester Stallone war gewissermaßen der ungekrönte König der sogenannten Hard Bodies der Reagan-Ära, zu denen auch A- bis C-Movie-Helden wie Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Chuck Norris, Dolph Lundgren und Michael Dudikoff gehörten. Es gibt inzwischen so viele Fortsetzungen, Imitationen und Parodien des Films und der Figur, dass vom ursprünglichen Kern kaum noch etwas übrig geblieben ist.

Rambo basiert auf dem 1972 veröffentlichten Roman First Blood von David Morrell. Das Drehbuch von Michael Kozoll und William Sackheim (das unter anderem durch Stallones Einwirkung noch diverse Änderungen durchlief) zeichnet den im Zentrum stehenden Vietnam-Veteranen nicht als kaltblütigen Mörder, sondern betont deutlich stärker die Traumatisierung, die durch die Erlebnisse im Krieg und durch die schlechte zwischenmenschliche Behandlung seit der Rückkehr in die Heimat entstanden ist. In blitzartig aufflackernden Rückblenden dringen die Erinnerungen in die Filmhandlung ein. Die Polizei und die Nationalgarde, die Rambo alsbald jagen, werden wiederum wesentlich negativer dargestellt.

Als Genrebeitrag, der als Drama beginnt, dann rasch zu einem Krimi wird, ehe er sich schließlich mit Verve ins Thriller- und Action-Territorium wirft, ist Rambo durchweg bemerkenswert. Schon in den ersten Minuten gelingt es, eine Atmosphäre der Einsamkeit zu schaffen und die Titelfigur als wortkargen Mann zu etablieren. Rambo ist auf der Suche nach einem Ex-Kameraden, der mit ihm in einer Einheit gekämpft hat, muss jedoch erfahren, dass dieser vor einem Jahr gestorben ist. Als er in der Kleinstadt Hope landet, wird er sofort vom örtlichen Sheriff Will Teasle (Brian Dennehy) aufgegriffen. „Typen wie dich mögen wir hier in dieser Stadt nicht“, heißt es – und es dauert nicht mehr lange, da steht Rambo bereits unter Arrest und wird von den Polizisten gequält und schikaniert.

Wie Kotcheff die Feindseligkeit in der beschaulich anmutenden US-Kleinstadt und die Aggression auf dem Polizeirevier einfängt, ist ebenso souverän und stimmig wie die spätere Hatz in den nächtlichen Wäldern. Der Regisseur entwirft einen extrem grimmigen Kosmos, der in seiner düsteren Haltung etwa an Sam Peckinpahs Wer Gewalt sät (1971) oder an John Boormans Beim Sterben ist jeder der Erste (1972) denken lässt. In seiner psychologischen Gestaltung der Hintergrundgeschichte, die in einer Szene gegen Ende zwischen Rambo und dem Colonel Samuel Trautman (Richard Crenna) näher ausgeführt wird, ist das Skript nicht ohne Schwächen. Die zur Heroisierung neigende Position, die der Film zum Krieg beziehungsweise zum amerikanischen Einsatz in Vietnam einnimmt, ist fraglos ihrer Zeit verhaftet und muss mit kritischen Augen gesehen werden. Als Appell, das Leid von Menschen mit Kriegstraumata zu erkennen, hat Rambo seinen Platz in der US-Kinohistorie jedoch gewiss verdient.

Nicht zuletzt demonstriert Rambo, dass Stallone nicht nur in körperlicher Hinsicht zu beeindruckenden Leistungen fähig ist, sondern auch über schauspielerisches Talent verfügt. Wie er zuvor schon in Rocky (1976) und in späteren Jahren unter anderem in Cop Land (1997) oder Samaritan (2022) beweisen konnte, verleiht der 1946 in New York City geborene Muskelmann seinen Rollen durch ein weitgehend reduziertes, zuweilen aber auch eruptiv-emotionales Spiel Charakter, weshalb ein Film wie Rambo letztlich zu mehr als einem reinen Spektakel wird und auch heute noch seine Wucht zu entfalten vermag.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rambo-first-blood-1982