Chroniken der Unterwelt - City of Bones

Ein Traum – für Tattoo-Studios

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Vom Erwachsenwerden erzählt man heute am besten mit Hilfe einer magischen Metapher. Ein Mädchen wird nicht zur Frau, sondern zum Vampir (Twilight), zur Hexe (Beautiful Creatures) oder zur Zeitreisenden (Rubinrot). Einer der vielen verwirrenden Aspekte von Chroniken der Unterwelt – City of Bones ist zwar, dass wir nie ganz verstehen, wer die Hauptfigur Clary Fray (Lily Collins) eigentlich ist, doch wir erkennen ohne weiteres die Muster der modernen Jugendliteratur für Mädchen.
Die junge Protagonistin entdeckt, dass sich hinter der vermeintlichen Realität noch eine ihr bislang unbekannte Welt voller Bedrohungen verbirgt. Dämonen treiben ihr übles Spiel mit der Menschheit und werden von selbstlosen Schattenjägern in Schach gehalten. Aber nicht nur, dass Clary all das plötzlich sehen kann, nein, sie selbst wird zur Schlüsselfigur in einem Jahrhunderte währenden Konflikt. Mit der Unterstützung von Schattenjäger Jace (Jamie Campbell Bower) versucht sie, einen magischen Becher zu finden, den ihre Mutter (Lena Headey) vor den dunklen Mächten versteckt hat. Doch wem ist hier eigentlich zu trauen?

Ohne Kenntnis des zu Grunde liegenden Romans oder der Lektüre eines erhellenden Pressehefts, ist das Universum von Chroniken der Unterwelt – City of Bones schwer zu erfassen. Im Gegensatz zu den obig erwähnten Jugendromanen, die sich auf ein bis zwei fantastische Elemente beschränken, wimmelt es in dem Konzept von Autorin Cassandra Clare nur so von Fabelwesen und verschiedenen Ausformungen der Zauberei und Verwünschung. Neben den fiesen Dämonen treiben noch Hexenmeister, Vampire und Werwölfe ihr Unwesen und die Gesetzmäßigkeiten ihres Zusammenlebens erschließen sich dem Filmzuschauer nur bruchstückhaft.

Das Verständnis der Ereignisse wird vor allem durch das irrwitzige Tempo erschwert, in dem Drehbuchautorin Jessica Postigo Paquette und Regisseur Harald Zwart die Geschichte erzählen. Ohne große Einleitung werfen sie Clary und das Publikum mitten in die Geschichte hinein. Wir haben die Hauptfigur noch gar nicht als normales Mädchen kennengelernt, da verwandelt sie sich schon in die Entdeckerin der New Yorker Unterwelt. Von da an geht es Schlag auf Schlag. Dämonenangriffe müssen abgewehrt, Hexenmeister aufgesucht und vor allem der schon erwähnte Kelch gefunden werden. Was am Anfang noch Spaß macht und durch die Geschwindigkeit der Erzählung Spannung und Dynamik entwickelt, lässt sich im weiteren Verlauf immer schwerer inhaltlich durchdringen. In Anbetracht der zahlreichen verschiedenen Wesen, Legenden und Erklärungen geben wir es als Zuschauer irgendwann auf, das dämonische Universum in seiner Gänze zu verstehen. Das jedoch führt schließlich dazu, dass die Ereignisse an uns vorbei rauschen, zunehmend absurder und übertriebener wirken und schließlich gar unfreiwillige Komik entwickeln.

Besitzt der Film in der ersten halben Stunde noch so etwas wie Selbstironie, nimmt er sich im weiteren Verlauf insbesondere in seiner Lovestory deutlich zu ernst. Die kitschige Inszenierung einer viel zu ausgelutschten Dreiecksgeschichte zwischen Clary, ihrem Kumpel Simon (Robert Sheehan) und dem mysteriösen Jace nimmt nahezu unerträgliche Ausmaße an und bedient sich großzügig entliehener Motive aus dem Twilight-Franchise, wie beispielsweise dem "sexy Mann am Klavier". Dabei versucht die Filmmusik nahezu verzweifelt Romantik zu erzeugen, wo einfach keine ist. Das Dreierarrangement ist als solches von Anfang an viel zu offensichtlich, das "Drama" zu vorhersehbar, um jemals echten Charme zu entwickeln.

Chroniken der Unterwelt – City of Bones kann einige wenige originelle Elemente liefern. So eignen sich die Runen-Tattoos, die den Schattenjägern verschiedene Superkräfte verleihen, so herrlich zur Nachahmung, als wären sie ausschließlich für eine Abziehbild-Merchandise-Reihe erfunden worden. Es steht zu befürchten, dass Tattoo-Studios von diesem Film mit am meisten profitieren. Bach als gewitzten Dämonenjäger darzustellen, der seine Musik gezielt zur Entlarvung versteckter Unholde komponierte, wirkt im Gegensatz dazu als narrativer Selbstzweck deutlich lustiger.

Alles in allem ist die Inszenierung von Harald Zwart zu hektisch. Die Kamera wackelt, die Schnitte sind zuweilen so schnell, dass wir gar nicht verfolgen können, was auf der Leinwand geschieht. Die Geschichte entwickelt sich in einem derartigen Tempo, dass sie uns atem- und ratlos hinterlässt. Wo Twilight sein Publikum mit ereignislosen Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen in graublau quälte, schlägt Chroniken der Unterwelt – City of Bones ins nicht minder anstrengende Gegenteil um.

Mangelndes Verständnis der Zusammenhänge und die Überdosis Kitsch erschweren den Zugang zu der Geschichte und ihrer Charaktere, die durch die Bank fremd bleiben. Besonders irritierend ist, dass Clarys Identität nicht aufgeklärt wird. Ist sie ein Mensch oder doch ein Hybridwesen? Der Coming of Age Aspekt der Geschichte läuft ins Leere, weil Clary sich nur von einem normalen Mädchen weg, nicht aber zu einer neuen Entwicklungsstufe hin entwickelt. Trotzdem kann das Ende keine Neugier auf weitere Abenteuer der Schattenjäger generieren, sondern stattdessen vor allem Erleichterung darüber, auch diesen Auswuchs der "Young Adult Fiction"-Welle überlebt zu haben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/chroniken-der-unterwelt-city-of-bones