Oblivion

Gedächtnislos im Weltraum

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Vergessenheit" bedeutet der Titel von John Krasinskis epischem Science-Fiction-Lehrstück über nationalpatriotischen Kampfgeist und romantisierten Patriarchalismus. Einen besseren hätte der Regisseur von Tron: Legacy für seinen zweiten Kinofilm nicht finden können. Denn in Vergessenheit gerät Oblivion, kaum dass dessen pompöse Tableaus von Endzeit und Neubeginn verklingen.
"Ich wollte die größeren, universellen Fragen stellen, die grundlegend für Science-Fiction sind, über unsere Existenz und Funktion im großen Plan der Dinge", behauptet Krasinski, dessen wuchtiges Werk das Gegenteil nahelegt. Oblivion erstickt Fragen, insbesondere jene nach Bewusstsein, Individualität und Befehlsgehorsam, die indirekt in der zusammengestutzten Handlung anklingen. Die Comic-Adaption ist kongenial, doch ist dies kaum bemerkenswert, da der Drehbuchautor und Regisseur sie selbst gemeinsam mit Arvid Nelson schuf. Mit der Vorlage zur Hintergrunderklärung ergibt sich womöglich ein vager Sinngehalt in der Ein-Mann-Heldensaga, in der weder die Figuren, noch deren zwischenmenschliche Beziehungen und Motive Profil entwickeln. Kransinski sagt es selbst: "Was auf dem Papier funktioniert, funktioniert nicht immer auf der Leinwand." Ohne Vorkenntnis des Papiers bleibt offen, ob darauf irgendetwas funktioniert. Auf der Leinwand jedenfalls funktioniert nichts.

Das gilt selbst für die schalen Spezialeffekte der Retorten-Story des Ex-Marine Jack Harper (Tom Cruise). Er erwartet auf der in einem Atomkrieg verseuchten Erde mit Team- und Sexpartnerin Vica (Andrea Riseborough) unter Computeraufsicht der Befehlsgeberin Sally (Melissa Leo) Energiedrohnen. Sie sammeln die verbliebenen Reserven für die Überlebenden auf dem Jupitermond Titan. Die letzten Menschen auf Erden sind Vica und Jack, deren Gedächtnis zum Schutz ihrer Mission gelöscht wurde. Doch Jack verfolgen Erinnerungsfetzen an ein Leben vor dem Krieg, aus dem er die nach Jahrzehnten Ruheschlaf mit ihrer Raumcrew abgestürzte Julia (Olga Kurylenko) kennt – so wie sie seine Vergangenheit. Das bringt Sally auf die Frage, die Vica quält: "Sind Sie ein effektives Team?" Team ? Welches Team? Es gibt nur Tom Cruise, der heldenhaft kämpf, liebt, stirbt und überlebt. Tom Cruise, der Rasse, Ehefrau und Staat treu ergeben ist. Tom Cruise auf einem zweieinhalbstündigen Ego-Trip.

Auf Wartungsflügen genießt er beim Klettern die Aussicht, gießt seine Topfpflanzen, hört in der selbstgebauten Blockhütte Blue Oyster Cult und Procul Harum und trinkt Seewasser – alles in Tschernobyl-Klima, umringt von außerirdischen Plünderern. Dass man die kaum sieht, bedeutet natürlich etwas, allerdings kein Abweichen von Kosinskis konservativer Agenda. Aliens sind an allem Schuld: Atomkrieg (Jack: "Wir taten, was nötig war."), Erdausbeutung (Folge außerirdischer Manipulation), Fremdgehen (dito), Frauen in Führungspositionen. Sally ist eine schwarze Pyramide, in die eine rote Röhre führt. Trifft hier freudianische Angstfantasie auf den Monolithen aus 2001: Space Odyssee? Zumindest ist Kubricks Genreklassiker nur einer, den Oblivion zitiert, ohne ansatzweise daran heranzureichen. In The Omega Man war der Gleichmut des Überlebenden in verseuchten Zivilisationsruinen rebellisch. In Silent Running war die Naturverbundenheit des einsamen Astronauten philosophisch. In Solaris war die Begegnung mit dem verloren Geglaubten aus der eigenen Erinnerung tragikromantisch. In Kosinskis Science-Fiction-Seifenopfer sind alle drei gleichermaßen plump-reaktionär.

"Ich will nicht, dass meine Art ausstirbt", sagt Jack, der sich darum kaum sorgen muss. In einem Reservoir schlummern tausende Jack-Klone, als solle auf diese Weise die Zugkraft des Stars multipliziert werden. Wie Jack sagt: "Die Waffe bin ich." Tatsächlich ist er Munition zum Verballern, denn wo er herkommt, sind viel mehr. Jack selbst stört das nicht: "Jeder stirbt. Entscheidend ist, wofür." Leicht gesagt, wenn man unzählige Leben in Reserve hat wie in einem Computerspiel. An ein solches erinnert die Panoramaschau zwischen Melodrama und Militanz, in der es nach Horaz heißt: "Fürs Vaterland zu sterben ist eines Römers wert." Eines Amerikaners erst recht. Für den Film gilt, was ein Protagonist über Jack sagt: "Keine Seele, keine Menschlichkeit."

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/oblivion