Hai-Alarm am Müggelsee (2013)

Ein Hoch auf die Errungenschaften des Städtemarketings

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ruhig liegt der Müggelsee im Osten Berlins in der sommerlichen Abendsonne. An den Ufern des Gewässers liegt das beschauliche Berlin-Friedrichshagen, ein kleiner Ort, in dem man nichts spürt von der Zugehörigkeit zur deutschen Hauptstadt. Das aber wird sich schnell ändern, denn im See gibt es offensichtlich eine schwimmende Bestie, die bereits den örtlichen Bademeister (Michael Gwisdek) die Hand kostete. Doch zum Glück hat sich gerade Snake Müller (Uwe Dag Berlin) hier angesiedelt, der seinerzeit auf Hawaii sein Auskommen als Hai-Jäger bestritt, bis seine Green Card auslief und nicht mehr verlängert wurde. Der beinharte Kerl hat sich zwar geschworen, nie wieder etwas mit den Räubern der Meere zu tun haben zu wollen, doch nun ist seine Fachkenntnis und sein Mut gefragt.

Wie das Tier im See überhaupt alle Anwohner, vor allem aber die Stadtoberen vor völlig neue Herausforderungen stellt: Denn wie lässt sich dem bedrohlichen Hai-Alarm, der die Badegäste vom Besuch des Müggelsees abhält, vielleicht doch noch etwas Positives abgewinnen? Mit dieser Frage und den unzähligen Möglichkeiten, die nun im Trial-and-error-Verfahren ausprobiert werden, setzen sich sowohl der Bürgermeister Friedrichshagens (Henry Hübchen) wie auch die Expertin für Städtemarketing Vera Baum (Anna-Maria Hirsch) sowie ein Fachmann für Meeresgetier (Tom Schilling) auseinander. Die Folge des nunmehr einsetzenden blinden Aktionismus ist ein unglaubliches Chaos...

Leander Haußmann und Sven Regener – das war doch mal was: Im Jahre 2003 konnte der Regisseur mit der Verfilmung von Regeners Berlin-Roman Herr Lehmann einen veritablen Erfolg hinlegen. Seitdem sind die beiden miteinander befreundet und haben mit der Müggelfilm sogar eine gemeinsame Filmproduktionsfirma gegründet, die darauf abzielt, künftig gemeinsam mit anderen Produktionspartnern (in diesem Fall X Film Creative Pool), sich vor allem auf die kreative Seite des Produzierens zu konzentrieren. Das wirkt nicht nur in der Selbstdarstellung von Müggelfilm im Presseheft ziemlich chaotisch und von einer spontihaften Spaßhaltung geprägt – genau die gleichen Zutaten sind es auch, die Hai-Alarm am Müggelsee prägen.

So hemmungslose Albernheiten wie bei Haußmanns und Regeners Gemeinschaftswerk sind in der spröden und überwiegend bierernsten deutschen Kinolandschaft mittlerweile selten geworden. Man muss nicht jeden Scherz, den die beiden und das bestens gelaunte, teilweise furios aufspielende Ensemble treiben, mögen oder geschmackssicher nennen. Wenn beispielsweise Michael Gwisdek als Bademeister seine Hand prüfend ins Wasser taucht und beim Herausziehen erstaunt auf den blutenden Stumpf sieht, den die Hai-Attacke hinterlassen hat, wirkt der Film wie eine brachialhumorige Posse, die mit großer Spielfreude Trash und Persiflage zu einer kruden Mixtur vermengt. Dabei ist das Referenzsystem, in dem sich Hai-Alarm am Müggelsee bewegt, durchaus breit gefächert: Neben Steven Spielbergs Klassiker Der weiße Hai / Jaws bezieht sich der Film ebenso auf TV-Trash vornehmlich aus dem Hause RTL und auf die Low-Budget-Berlin-Komödien, die in den letzten Jahren sowieso zunehmend ein eigenes Subgenre bilden. Im anarchisch-albernen Humor des Films kann man aber auch die Gene von US-amerikansichen Nonsens-Klamotten wie den Katastrophenfilm-Parodien (Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug / Airplane!) aus dem Hause ZAZ (Zucker, Abrahams & Zucker) erkennen. Wer sich in diesem weitgehend sinnfreien Koordinatennetz cineastisch zuhause fühlt, dem wird Hai-Alarm am Müggelsee mit Sicherheit einiges an Vergnügen bereiten.

Nebenbei gibt es noch einige vergnügliche Seitenhiebe auf den landesweit grassierenden Stadtmarketing-Wahn, der in einem eigens für diesen Zweck komponierten Song mündet, und eine kleine Spitze gegen die Kinolandschaft im Allgemeinen und den 3D-Boom im Besonderen (im örtlichen Kino ist Michael Curtiz' Klassiker Casablanca zu bewundern – in 3D und Farbe, welch Graus!). Mit Sicherheit keine ganz große Filmkunst, aber immerhin die Geburt eines neuen Genres, des Alarm-Films. Ob dem allerdings im deutschen Kino eine große Zukunft beschieden ist, das ist letzten Endes so ungewiss wie die Antwort auf die Frage, wie ein Hai eigentlich in einem Süßwasser-Ambiente wie dem Müggelsee überhaupt überleben soll.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/hai-alarm-am-mueggelsee-2013