A River Changes Course

Kambodschanische Bauern in der Krise

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Den ländlichen Gebieten Kambodschas stehen große Umwälzungen bevor, denn immer mehr Bauern und Fischer verlieren ihre Lebensgrundlage. Im Norden des Landes werden Regenwälder abgeholzt und die Dorfbewohner verkaufen ihr Land an große Unternehmen. Auch die junge Kleinbäuerin Sav Samourn glaubt, dass sie mit ihrer Familie bald wegziehen muss. In einer anderen Region, am Tonle-Sap-Fluss, fangen Sari Math und sein Vater nicht mehr genug Fisch. Als ältester Sohn wird der junge Erwachsene fortgeschickt, um die Fischerfamilie als Tagelöhner auf einer Plantage zu unterstützen. In einem Dorf in der Nähe von Phnom Penh hat sich eine Reisbäuerin hoch verschuldet. Um ihr zu helfen, sucht ihre Tochter Khieu Mok Arbeit in einer Textilfabrik in der Stadt, obwohl sie auch zuhause dringend gebraucht wird.
Die aus Kambodscha stammende Dokumentarfilmerin Kalyanee Mam hat diese drei Familien zwei Jahre lang begleitet. In betörend schönen Bildern vor imposanter Naturkulisse fängt ihr Regiedebüt A River Changes Course den arbeits- und entbehrungsreichen Alltag der Menschen ein. In der intimen Nähe, die sich einstellt, lernt man ihre Sorgen, Stärken und Hoffnungen kennen. Dabei zeigen sich auch die konkreten Auswirkungen von Globalisierung und Umweltproblemen wie Abholzung, Klimawandel und Überfischung. Der Filmtitel spielt mit dem alljährlichen Richtungswechsel des Tonle-Sap-Flusses auf den Strukturwandel an, der auf die Landbevölkerung zukommt. Er betrifft vor allem die Kinder, die sich ein anderes Leben aufbauen müssen, als sie es von ihren Eltern vorgeführt bekommen. A River Changes Course, der auf dem Sundance Film Festival 2013 und kürzlich auch auf dem Internationalen Filmfestival in San Francisco ausgezeichnet wurde, nimmt als Europapremiere an dem Dokumentarfilmfest in München teil.

"Geld", sagt Sari, "alle suchen wir danach, bis wir alt sind". Der junge Mann klingt am Ende des Films richtig desillusioniert: Da arbeitet er bereits auf einer chinesischen Plantage im Westen des Landes. Vorher sah man ihn mit seinem Vater tagein, tagaus die Netze im Tonle-Sap-Fluss auswerfen und mit zu wenig Geld in der Tasche heimkehren. In der Hütte am Wasser schaute man der Familie beim Essen über die Schulter, oder einem Jungen, der seine Hausaufgaben auf dem Fußboden zwischen spielenden Geschwistern macht.

Die Kinder sind es von klein auf gewohnt, zuhause mitzuarbeiten. Savs Samourns Tochter, ein Mädchen von vielleicht acht Jahren, hantiert geschickt mit einer Machete, dann wieder trägt sie das jüngste Baby der Familie herum. Es scheint ein Teufelskreis zu sein: Die größeren Kinder werden eingespannt, damit die Eltern alle durchbringen können, aber dabei kommen Schule und Ausbildung zu kurz. Für die Heranwachsenden, die fortgehen müssen, um in der Stadt Arbeit zu finden, sind das nicht die besten Voraussetzungen. Aber wie Khieu Mok wollen auch ihre Kolleginnen in der Textilfabrik in Phnom Penh am liebsten wieder zurück ins Dorf.

Kalyanee Mam kam als Flüchtlingskind mit ihrer Familie 1981 in die USA, wo sie später auch studierte. Sie führte die Kamera für den oscarprämierten Dokumentarfilm Inside Job. Auch in A River Changes Course fungiert sie gleichzeitig als Kamerafrau und sorgt für eine sehr ansprechende visuelle Gestaltung. Man erhält intensive Eindrücke ohne Begleitkommentar. Trotz ihrer ruhigen Atmosphäre sind die Aufnahmen vollgepackt mit Information, die sich oft ganz sinnlich mitteilt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/a-river-changes-course