Lipstikka (2011)

Wiedersehen in London

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Lara (Clara Khoury) und Inam (Nataly Attiya) stammen beide aus Ramallah und haben ihre Kindheit und Jugend im Westjordanland verbracht, dann verschlug es die beiden Frauen ins kalte London, wo man sich aus den Augen verlor. Plötzlich eines Tages steht Inam vor Laras Haustür. Und sofort ist jene besondere Magie, jene auch sexuelle Spannung da, die die beiden schon früher miteinander verband. Doch warum erzählt Inam Lügengeschichten, warum lässt sie nicht locker, warum bringt sie merkwürdige Aktionen und entführt schließlich sogar Laras Sohn?

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Die besorgte Mutter scheint wie ihre Freundin aus Jugendzeiten einige Schwierigkeiten mit ihrem Leben zu haben scheint - immer wieder sehen wir sie zur Flasche greifen, als gelte es einen Kummer zu ertränken. Und ihr Gatte ist auch nicht gerade ein Ausgebund an Häuslichkeit, sondern geht ziemlich offensichtlich mit einer anderen Frau fremd. Doch es gibt noch mehr, was die Atmosphäre der Begegnung zwischen Lara und Inam prägt - ein Geheimnis oder ein verschüttetes Trauma vielleicht?

In verschachtelten Rückblenden und manchmal mehr, manchmal weniger gelungenen Wechseln der Erzählperspektiven springt Jonathan Sagall in der Zeitachse vor und zurück, wechselt zwischen Ramallah und London und gibt sich alle Mühe, die Geschichte, bei der es im Wesentlichen um die Subjektivität von Wahrnehmungen und Erinnerungen, um sexuelles Begehren und Enttäuschungen und nicht zuletzt um Politik und Sex vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts geht, nach Kräften zu verrätseln. Wirklich überzeugend gelingt ihm dies nicht, dank der guten Schauspielerinnen (sechs an der Zahl sind es insgesamt, die Lara und Inam in verschiedenen Lebensaltern verkörpern) sieht man dem Reigen und den vielen Puzzleteilen aber gerne zu. Vor allem Clara Khoury und Nataly Attiya überzeugen trotz aller Drehbuchschwächen vollauf.

Auch wenn die Auflösung des Rätsels am Ende dann doch enttäuscht und mehr Fragen offen lässt als beantwortet, ist der Film mit seinem kalten Look, in dem sich die kühle Kalkuliertheit des Plots widerspiegelt, in diesem Jahr mit Sicherheit einer der besseren des Berlinale-Jahrgangs 2011. Was natürlich auch ein wenig an der Schwäche der Konkurrenz liegen kann.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/lipstikka-2011