Die Elbe von oben

Mit Adleraugen die Elbe entlang

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es ist ohne Zweifel ein Trend, der sich da in den letzten Jahren abzeichnet; man mag über ihn lächeln, doch man kann an dieser kleinen Veränderung, an der merkwürdigen Häufung von Filmen, die man sonst eher im Fernsehen vermuten würde, auch etwas ableiten über die gewaltigen Umwälzungen, vor denen das Kino steht, man kann daraus auch ein sich veränderndes Selbstverständnis des Kinos ableiten, das mit sogenanntem "alternativem Content" wie Opern- und Fußball-Übertragungen verzweifelt auf der Suche ist nach einem Publikum, mit dem sich die Bedrohungen der Gegenwart abfedern lassen. Nach Deutschland von oben, Bavaria – Traumreise Bayern, Die Nordsee von oben folgt nun also Die Elbe von oben und es ist nur eine Frage der Zeit, wann Der Neckar von oben oder Die Donau von oben folgen.
Filme wie diese sind mittlerweile beinahe ein Äquivalent zu den Dia-Vorträgen geworden, mit denen Abenteurer von fernen Ländern berichteten und damit Stadthallen deutscher Kleinstädte zu füllen verstanden – mit einem erheblichen Unterschied: Lockte damals der Reiz des Fremden und Exotischen, sind deren moderne cineastische Entsprechungen heute eher so angelegt, dass sie ein diffuses Heimatgefühl (statt des Fernwehs) vermitteln und sich der Reiz des Ganzen eher aus dem ungewöhnlichen Blickwinkel ("von oben") speist. Dass diese Filme offensichtlich so erfolgreich sind, dass nun immer neue Werke ins Kino kommen, kann und sollte man auch als Sehnsucht nach Vereinfachung und wortwörtlich zu verstehender Übersichtlichkeit verstehen: In der kleinen Welt, die sich wie eine Modelleisenbahn-Miniaturlandschaft vor dem Auge des Zuschauers auf der Leinwand entfaltet, herrscht vor allem das Idyll, das Idealbild einer Landschaft vor, die allen Anfeindungen der globalisierten Welt zum Trotz immer noch nach ihrem ganz eigenen und gemächlichen Rhythmus läuft.

So vermeintlich scharf das Adlerauge der Cineflex-Kamera auch sein mag – es gehört zu den Kennzeichen des Subgenres, dass diesem gottgleichen Auge zwar keine Naturschönheit entgeht, Problemzonen der überflogenen Landschaften aber eher zu den blinden Flecken gehören. Besser, man schaut nicht zu genau hin.

Und so folgt auch Die Elbe von oben nicht nur dem Flusslauf als rotem bzw. blauem Band der Narration, sondern unterscheidet sich auch sonst wenig von den anderen Vertretern thematisch verwandter Filme, die allesamt wirken, als entstammten sie dem Discovery Channel, den dritten Programmen des deutschen Fernsehens oder seien Hochglanz-Unterrichtsmaterialien für die Volkshochschule oder den Geographie-Unterricht der gymnasialen Oberstufe. Majestätische Musik und ebensolche Luftaufnahmen, dazu ein freundlich belehrender Erzähler, der kundig Historisches, Erdkundliches und Touristisches sowie Lebensgeschichten von Flussbewohnern berichtet.

All dies fügt sich zu einem beruhigenden Fluss der Bilder, der vor allem eine Zielgruppe jenseits der 60 Lenze ansprechen dürfte, die im Kino nicht nach den Aufregungen von knallbunter Action oder den Problemen engagierter Filmkünstler sucht, sondern vor allem nach Bestätigung und Kontemplation. Das Leben ist schließlich kompliziert genug. Die Welt und vor allem jener kleine Ausschnitt, den der Film vorstellt, ist schön, die Menschen, die dort beheimatet sind, leben in beneidenswerter Eintracht mit sich und ihrer Umwelt. Alles ist gut - welch beruhigende Erkenntnis.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-elbe-von-oben