Fortress

Das Wilde im Menschen

Gabrielle Lords Roman basiert auf einer wahren Begebenheit, nimmt sich aber genügend Freiheiten, die auch Drehbuchautor Everett De Roche für diese erstaunlich effektive Fernseharbeit berücksichtigt hat. Zur damaligen Zeit lag die Ozploitation-Welle aufgrund verminderter steuerlicher Vorteile für die Filmindustrie in den letzten Zügen, eine Umorientierung Kreativer auf das Fernsehen war die Folge. Fortress ist eine Art Amalgam aus beidem.
Mehrere maskierte Männer entführen Sally Jones und die ihr anvertraute Schulklasse. Offenbar hat man es auf Lösegeld abgesehen. Die Frau und die Kinder fügen sich, versuchen aber bei der erstbesten Gelegenheit zu fliehen. Das endet in einem Desaster und dem Tod von Unbeteiligten. Die Flucht geht weiter, bis der Moment kommt, an dem Weglaufen nicht länger eine Option ist. Die Kinder schlagen zurück!

Everett De Roche war vor allem überrascht, wie sehr sich Kinder von Fortress angezogen fühlen. Das mag vor allem daran liegen, dass es Kinder sind, die sich hier gegen aggressive Erwachsene zur Wehr setzen – und das mit Erfolg. Selbst für die damalige Zeit war es ungewöhnlich, Kinder in einer solchen Geschichte zu zeigen. Obwohl eine gänzlich andere Grundsituation erinnert Fortress an Der Herr der Fliegen, wenn auch nur in der Hinsicht, dass das Ganze in einem archaischen Kampf ums Überleben kulminiert, verbunden mit einer Art Ritualisierung, die im Vorfeld stattfindet. Der Film zeigt den Umschwung von zivilisiertem zu instinktivem Handeln, nachhaltig dargeboten in einer Finalsequenz, in der man Kinder beim Morden sieht.

Was der Film nur andeutet, oder nahelegt, ohne sich darauf zu kaprizieren, ist die Frage, wie das Erlebte die Kinder verändert hat. Es hat den Anschein, dass sie am Ende völlig unbeschwerte Kinder sind, aber im Kopf des Zuschauers hallt das in Zeitlupe gestaltete Massaker wieder, akzentuiert durch das Schlussbild des Films, das ein Herz in einem Glas zeigt. So fragt man sich, wie ein solcher Gewaltakt in der Psyche nachwirkt – ein interessantes Thema, das eigentlich für ein noch heute mögliches Sequel höchst faszinierend wäre.

Die zweite DVD der "Creepy Little Things"-Kollektion ist deutlich besser als der Vorgänger. Ein sauberes Bildmaster mit weitestgehend natürlichen Farben – nur hin und wieder sind Hauttöne etwas zu rot – ist Grundlage einer gelungenen Präsentation. Ein Manko ist das Fehlen des O-Tons, die Synchronisation ist jedoch gut. An Bonus gibt es neben verschiedenen Trailern auch einen Audiokommentar von Filmwissenschaftler Dr. Marcus Stiglegger, der sich vor allem analytisch gestaltet. Enthalten sind zwei Fassungen des Films, die alternative Fernsehversion mit einem etwas anderen Ende ist interessant, kommt aber in Vollbild daher.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fortress