White House Down (2013)

Ein Überraschungscoup

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Dieser Sommer ist einer der Überraschungen. Während Filme, in die man große Hoffnungen setzt, oft bieder und langweilig daher kommen, erstaunen Regisseure, von denen man schon lange nichts mehr erwartet: Nicht nur, dass Gore Verbinski mit Lone Ranger beweist, dass er im Blockbuster-Gewand durchaus hintergründiges Kino verstecken kann, nein, sogar "Hirn aus, Film ab!"-Regisseur Michael Bay liefert mit Pain & Gain eine kontroverse Satire auf den American Dream, die man ihm einfach nicht zugetraut hätte. Den Vogel – im positiven Sinne! – schießt allerdings Roland Emmerich ab, der sich mit White House Down in Bestform präsentiert. In diesem cleveren Actionstreifen stimmt fast alles.

John Cale (Channing Tatum) heuert beim Secret Service als Personenschützer des US-Präsidenten James Sawyer (Jamie Foxx) an. Zum Bewerbungsgespräch nimmt er seine Tochter Emily (Joey King) mit ins Weiße Haus. Dann kommt es dicke: nicht nur das Vorstellungsgespräch mit der Sicherheitschefin des Weißen Hauses (Maggie Gyllenhaal), die sich als ehemalige Bekannte entpuppt, geht schief. Gleich darauf stürmen auch noch Terroristen den Sitz des Präsidenten und nehmen alle anwesenden Personen als Geiseln. Doch John kann entkommen. Während er versucht, seine Tochter und den Präsidenten zu retten, laufen draußen fieberhaft die Vorbereitungen, das Weiße Haus zurückzuerobern.

Emmerich hat in seinen Filmen schon ein Motel, eine Stadt, die Vereinigten Staaten, alle Großstädte dieser Welt und schließlich sogar den ganzen Globus in die Mangel genommen. Nachdem die ultimative Zerstörung aber nicht einmal in 2012 noch so richtig schocken wollte, tat der Regisseur gut daran, in seinem aktuellen Film nicht das ganze Sonnensystem explodieren zu lassen, sondern lieber ein paar Gänge zurückzuschalten. In White House Down geht deswegen auch nicht das gesamte Universum zu Bruch, sondern nur das Weiße Haus – was sich als ungleich spannender erweist. Klasse statt Masse, scheint Emmerichs Devise gewesen zu sein. Auf die obligatorische Zerstörungsorgie konnte der Regisseur natürlich nicht ganz verzichten, aber ehe diese – zweckdienlicher und ästhetischer als sonst – beginnt, begeistert White House Down durch gute Narration und schicke Bilder sowie seine geschmeidige Exposition, in der Emmerich nach bester Spielberg-Manier die Figuren in Position bringt.

Gleich von Beginn an zeigt sich, dass die Schauspieler exquisit gewählt sind. Muskelprotz Channing Tatum (Magic Mike) hat mittlerweile schon mehrmals deutlich gemacht, dass er spielen kann und darüber hinaus durchaus komödiantisches Talent besitzt. In White House Down ist er von Beginn an präsent und punktet sowohl als sensibler, wenn auch etwas unbeholfener, Vater sowie später als Actionheld, dem der eine oder andere coole Spruch gut zu Gesicht steht. Sowohl Tatums Figur als auch das Szenario wecken Erinnerungen an Die Hard, John McTiernans Action-Klassiker aus dem Jahre 1988. Die anderen Figuren des Films sind ebenfalls fein justiert und hervorragend besetzt. Jamie Foxx (Django Unchained) kann auch Präsident. Und das ganz und gar nicht schlecht! Die einzelnen Darsteller jetzt detailliert für ihre Leistungen zu loben, käme einem unschönen Spoiler gleich, doch zumindest soll erwähnt werden, dass James Woods (Videodrome) als Sicherheitschef Walker so gut ist wie schon lange nicht mehr, und dass Richard Jenkins als Sprecher des Repräsentantenhauses eine gewohnt schelmische Performance abliefert. Einer besonderen Erwähnung bedarf noch Cales Tochter Emily, die sowohl als Figur positiv auffällt als auch durch die Jungschauspielerin Joey King (Conjuring - Die Heimsuchung) sympathisch und tough verkörpert wird.

Natürlich ist White House Down kein Schauspielerkino – auch wenn gar nicht oft genug betont werden kann, wie gut der Film besetzt und gespielt ist –, sondern in erster Linie ein Action-Thriller. In dieser Hinsicht steckt er die meisten Filme des Jahres locker in die Tasche. Und das sowohl in kleineren, mitunter fast kammerspielartigen Momenten mit seinen virtuos inszenierten Prügelszenen als auch dann, wenn die Bazookas herausgeholt werden und sich gepanzerte Fahrzeuge im Garten des Weißen Hauses irre Verfolgungsjagden liefern. Kleine Ermüdungserscheinungen zwischendurch verzeiht man da gern. Das Tolle an White House Down: Hier passt endlich mal die Balance von ernsten Themen, spektakulären Katastrophen, Over-The-Top-Action und leiser Ironie. Insbesondere in Sachen Humor hat Emmerich diesmal den richtigen Ton getroffen.

Was aus dem unterhaltsamen insgesamt einen sehr guten Film macht, ist sein interessanter Subtext. Während die Moral in Emmerichs Filmen sonst eher mit dem Holzhammer zum Publikum kommt, sind es hier die stillen, gleichwohl klugen Zwischentöne. Bedrohungen für ein System, so seine unaufgeregte Botschaft, kommen stets von innen, sind Systemfehler und lassen sich deswegen nicht mit systeminhärenten Mitteln lösen. System-interne Regularien versagen. Es bedarf eines Außenseiters, der ins Zentrum vordringt, um das gegen sich selbst gewandte System zu stören. In diesem Zusammenhang steht auch die leicht zu übersehende, gleichwohl mutigste Szene, sozusagen Emmerichs Aufruf zum Ungehorsam, in der ein Soldat den Befehl verweigert. Solche Momente gewinnen vor der aktuellen Situation in den USA – man denke nur an die Zivilcourage der Whistleblower Snowden und Manning – besondere Brisanz.

Roland Emmerich nimmt in White House Down das Herz der Vereinigten Staaten ins Visier und liefert damit – aller Zerstörungsorgien und kleinerer Durchhänger im Mittelteil zum Trotz – seinen intimsten und vielleicht besten Film überhaupt ab: spannend, explosiv, komisch und mit einer gehörigen Portion Chuzpe.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/white-house-down-2013