Klänge des Verschweigens

Mauthausener Musik

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Die Feiern und Zusammenkünfte der Familie Stanjek/Heckmann aus Wuppertal gestalteten sich banal, erinnert der Autor und Regisseur. Sie liefen so stereotyp ab wie vermutlich die meisten Familientreffen in den meisten Familien. Der 90. Geburtstag von Wilhelm Heckmann, 1987, machte keine Ausnahme. Es war ein Beisammensein, heißt es im Film, bei dem mit Hilfe von Anekdoten, Sahnekuchen und spitzen Bemerkungen alle konfliktgeladenen Themen konsequent vermieden wurden. Bis eine Nichte des Jubilars in einem Nebensatz die Zeit erwähnte, in der Wilhelm Heckmann "im Lager" gewesen war.
Der 64-jährige Dokumentarist Klaus Stanjek, der in Wuppertal geboren ist und heute in Potsdam-Babelsberg lebt und lehrt, war bei diesem 90. Geburtstag seines Onkels Willi dabei. In Klänge des Verschweigens, einem "detektivischen Musikfilm", so der Untertitel, setzt er sich mit der Biografie seines homosexuellen Onkels auseinander, der acht Jahre in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen inhaftiert war und eine Häftlingskapelle anführte. Heckmann selbst, 1995 verstorben, wehrte sich gegen einen Film. "Nein, keinen Film, bloß keinen Film! Nein, nicht solange ich lebe", zitiert ihn Stanjek in seiner Dokumentation. Und auch die Verwandten, die im Film als Zeitzeugen auftreten, verschweigen oft mehr, als sie sagen.

Klaus Stanjek spricht mit alten Nachbarn und ehemaligen KZ-Insassen und gleicht seine Recherchen mit ihren Erfahrungen ab. Manche erinnern sich, einer sagt, es ist jetzt, 65 Jahre nach der Befreiung, zu spät. Einen Häftling aus Dachau oder Mauthausen, der über die Situation der Schwulen im KZ berichten könnte, oder einen, der dort musizierte, findet er nicht mehr.

Der Filmemacher, Professor für Dokumentarregie an der HFF Konrad Wolf, zeigt, wo er vorankommt und wo er gebremst wird, wo er etwas erfährt und wo nicht. Neben Wilhelm Heckmann, von dem Fotos und alte Filmaufnahmen zu sehen und alte Tonaufnahmen zu hören sind, macht Stanjek sich selbst zur Hauptfigur seiner eigenen Doku. In einer kurzen Sequenz beschreibt er beispielsweise, was er alles getan hat, anstatt diesen Film zu drehen, von dem er heute sagt, er hätte ihn viel früher angehen können. Gerade der Autor selbst in seinem Werk macht Klänge des Verschweigens über die historische Substanz hinaus beachtenswert. Der Musiker Heckmann, der nur ungern über die Zeit "im Lager" sprach, hat etwas in sich vergraben, die Familienmitglieder, die im Film befragt werden, wollen es nicht an sich heranlassen. Klaus Stanjek schwieg wie sie, bis er diesen Film zu drehen vermochte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/klaenge-des-verschweigens