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Die heile Welt des Patriarchats ist am Haushaltsinstitut Van Der Beck im Elsass noch weitgehend in Ordnung, als der freie Geist von 1968 Einlass begehrt. Juliette Binoche, Yolande Moreau und Noémie Lvovsky spielen in dieser Komödie Lehrkräfte, die erkennen müssen, dass sie Gestriges unterrichten.

Die perfekte Ehefrau (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zur Hausfrau bestimmt, oder etwa nicht?

Es ist das Jahr 1967 und an der elsässischen Haushaltsschule Van Der Beck werden die neuen Schülerinnen begrüßt. Die Direktorin Paulette Van Der Beck (Juliette Binoche) begrüßt die Elevinnen, die zwei Jahre lang auf ihre künftige Bestimmung als bügelnde, putzende Hausfrauen vorbereitet werden sollen. Sie zählt ihnen die sieben Grundsätze der perfekten Ehefrau auf, zu denen unter anderem, neben Haushaltsführung, Selbstlosigkeit und gepflegtem Äußerem, auch die Erfüllung der ehelichen Pflichten, so unangenehm sie ihren Worten zufolge auch sein mögen, gehört. Doch auch dieses ehrenwerte Institut bleibt nicht von der neuen Ära verschont, die sich mit Macht ankündigt. Die Schülerinnen fiebern ihrem Leben als abhängige Ehefrau keineswegs entgegen und nach dem plötzlichen Tod ihres Gatten, dem Institutsbesitzer Robert Van Der Beck (François Berléand), erfährt Paulette, dass er ihr ihren Gehorsam und ihr Vertrauen mit einem Haufen Schulden gedankt hat.

Die Komödie von Regisseur Martin Provost (Ein Kuss von Beatrice) erzählt mit ihrer in der revolutionären Zeit von 1968 angesiedelten Emanzipationsgeschichte im Grunde nichts Neues, ist aber dennoch sehr vergnüglich. Provost taucht durchaus spannend in die wohl schon damals ziemlich verstaubte Welt der Hauswirtschaftsschulen ein, die es bis zum Beginn der 1970er Jahre in Frankreich gab. Der Unterricht, den Paulette, ihre Schwägerin Gilberte (Yolande Moreau) und die Ordensschwester Marie-Thérèse (Noémie Lvovsky) erteilen, führt in geballter Form und herrlich persiflierend vor, wie Mädchen und junge Frauen in der damaligen Gesellschaft zur dienenden Funktion in Ehe und Patriarchat erzogen wurden. Die drei Schauspielerinnen Binoche, Moreau und Lvovsky haben sichtlich Spaß am karikierend zugespitzten Rollenspiel und sorgen für durchgehenden Filmgenuss.

Der Epochenwandel kündigt sich beispielsweise mit frechen Widerworten aus dem Kreis der Schülerinnen an. Albane (Anamaria Vartolomei), ein Mädchen aus reichem Hause, erklärt, dass sie keine Lust auf die Ehe habe. Mehr noch, hinter dem Rücken der Lehrerinnen umwirbt sie ihre Mitschülerin Corinne (Pauline Briand) heftig. Die blonde Annie (Marie Zabukovec) sieht nicht recht ein, weshalb es so wichtig sein soll, das formvollendete Servieren des Tees zu üben. Ihr steht mehr der Sinn nach dem ersten Sex mit einem Jungen aus dem Ort. Im Kreis dieser Freundinnen, die auch mal ausgelassen tanzen und über Masturbation sprechen, kommt auch die schüchterne Yvette (Lily Taïeb) ein wenig aus sich heraus.

Im Zentrum der Geschichte steht aber das böse Erwachen Paulettes, die nach dem Tod des Gatten erkennt, dass Frauen durchaus ein Auto steuern können und ihrem Mann nicht die alleinige Kontrolle über die Finanzen überlassen sollten. Wie sich diese perfekte Ehefrau zu einer freien Person mausert, die neugierig auf das Leben ist, wird in Form verschiedenster, oft sehr harmloser Wagnisse erzählt – wie dem schamhaft lustvollen Tragen einer Hose! So etwas hat es in dem Institut noch nie gegeben. Paulette begegnet André (Édouard Baer), ihrer großen Liebe aus frühen Jahren, wieder. Andrés Werben verleiht ihr einerseits Flügel, andererseits gesteht der Film Paulette auf ihrem Weg der Emanzipation auch zu, dass der gute Mann nicht alles ist, was sie interessiert.

Paulettes Eleganz und ihrem fast mädchenhaft unbeholfenen, dann wieder wendigen Charme steht Gilbertes romantische Weltfremdheit gegenüber. Yolande Moreau spielt die Schwägerin als alte Jungfer, die nie gegen die Ausbeutung durch den Bruder opponiert hat. Diese etwas plump wirkende Frau aber träumt mit zartem Gemüt von der Liebe. Als dritte im Bunde waltet Schwester Marie-Thérèse mit militärischer Strenge im Institut. Noémie Lvovsky verleiht ihr einen wilden Kampfgeist, wenn es darum geht, die kommunistische Gefahr und anderes Unheil abzuwehren. Unbeirrt hält Marie-Thérèse am misogynen Aberglauben fest, dass eine rothaarige Schülerin Unglück bringt und lieber keine Saucen anrühren soll. Diese ulkige Person aber schaut mit soldatischer Treue zu Paulette auf und bewundert sie.

Mit ihrer stilisierten Inszenierung ähnelt diese Komödie zuweilen einem Bühnenstück. Das wird besonders deutlich, wenn die Frauen und Mädchen gegen Ende einmal nach Art eines Musicals singend in Richtung Paris marschieren. Im Frühling 1968 ist auch für Paulette und ihr Gefolge eine neue Zeit angebrochen und ein Lebenshunger, der allzu lange unterdrückt wurde, bricht kollektiv und mit Schwung durch. So lustig lässt sich der Epochenwandel, den das Rollenbild der unmündigen, braven Hausfrau nicht unbeschadet überstehen sollte, auch rekapitulieren.

Die perfekte Ehefrau (2020)

Ein Ehepaar leitet eine Schule, die Mädchen und junge Frauen darauf vorbereitet, später einmal gute Ehe- und Hausfrauen sowie Mütter zu werden. Doch der Tod des Ehemanns und die Ereignisse des Mai 1968 in Frankreich führen schließlich zu einer Liberalisierung der Einrichtung.

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