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Ein junger, in der Schweiz aufgewachsener Mann türkischer Abstammung verliebt sich in einen anderen Mann. Seine Eltern wollen das nicht tatenlos hinnehmen. Kann denn ein Sohn nicht schwul und auch loyal den Eltern gegenüber sein? Sein versuchter Spagat bringt den Helden dieses Dramas schwer in Bedrängnis.

Beyto (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein guter Sohn zwischen Freund und Braut

Aus der Sicht seines jungen Schwimmtrainers Mike (Dimitri Stapfer) wäre alles so einfach für Beyto (Burak Ates). Er müsste doch nur seinen konservativen türkischen Eltern sagen, dass er schwul und in Mike verliebt ist! Aber Beyto zögert. Denn obwohl er mit den Eltern schon viele Jahre in der Schweiz lebt, weiß er sehr wohl, wie sie und ihr türkisch geprägtes Umfeld über Homosexualität denken. Als er sich endlich ein Herz nimmt, greifen die Eltern zu einer List.

So erzählt das Drama der Schweizer Regisseurin Gitta Gsell nicht nur von einem Coming-out, sondern zugleich auch von einem jungen Mann, der zwei Kulturen angehört. Der strebsame Beyto, der in der Ausbildung gute Noten bekommt, in einem Informatikbüro arbeitet und ein begeisterter Schwimmer ist, wohnt noch in der Zweizimmerwohnung seiner Eltern. Dass er als einziger Sohn in der elterlichen Imbissbude mitarbeitet, ist für ihn selbstverständlich. Das Wort der Eltern zählt für ihn, sich offen gegen sie aufzulehnen oder sich gar von ihnen abzuwenden, würde ihn todunglücklich machen. Doch ein guter Sohn sein zu wollen, wird ihm zum Verhängnis, nachdem seine Eltern erfahren, dass er schwul ist. Er beugt sich ihrem Wunsch, den Sommer mit ihnen im türkischen Heimatdorf zu verbringen. Die Oma werde doch bald sterben, sagen sie, und weihen ihn nicht in ihre wahren Pläne ein: Damit das Gerede der Leute aufhört, wollen sie Beyto in der Türkei kurzerhand verheiraten.

Die Geschichte, die auf dem Roman Hochzeitsflug von Yusuf Yeşilöz basiert, steuert in der Türkei dann in stürmische Gewässer. Beyto wird von seinem Vater (Serkan Tastemur) regelrecht genötigt, bei der schon arrangierten Hochzeit mitzuspielen. Auch das liebevolle, flehentliche Zureden der Mutter (Beren Tuna) bleibt nicht ohne Wirkung auf Beyto. Er kann sich ihren Bitten, sie doch nicht vor der Dorfgemeinschaft unmöglich zu machen, nicht verschließen. In seiner Not läuft er nachts zum Elternhaus der hoffnungsvollen Braut Seher (Ecem Aydin), um sie einzuweihen, aber das Gespräch wird ihm verwehrt. So nehmen die über Beytos Kopf hinweg bestimmten Dinge ihren Lauf, während er noch völlig ratlos wie neben sich steht. Aber der Konflikt ist mit der Hochzeit nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Was soll denn aus der armen Ehefrau werden, wenn Beyto ihr endlich die Wahrheit sagt?

Dimitri Stapfer und der als Laiendarsteller gecastete Burak Ates, der nun eine Schauspielausbildung absolviert, geben als Mike und Beyto ein attraktives, sehr sympathisches Paar ab. Das erotische Knistern zwischen den beiden Charakteren ist spürbar. Ecem Aydin spielt als Seher eine liebenswerte junge Frau, die sich selbst in der eigenen seelischen Not noch um Verständnis für ihren Ehemann bemüht. Leider handelt der Film die individuellen Dramen dann doch etwas ungeduldig ab, ohne immer großen Wert auf emotionale Glaubwürdigkeit zu legen. Das erinnert zuweilen an das Niveau von Fernsehunterhaltung – vor allem, wenn den Charakteren jähe Umschwünge ihrer Gesinnung zugemutet werden. So legt beispielsweise Seher in der Schweiz eine rasante, eigentlich kaum gezeigte Entwicklung zur selbstbestimmten Person mit liberalen Ansichten hin, die auch für westliche Maßstäbe ganz schön fortschrittlich anmuten.

Substanz und Spannung aber bezieht das Drama aus zwei Richtungen: Zum einen ist da der Schauplatzwechsel von der Schweiz in ein türkisches Dorf und wieder zurück. Am türkischen Drehort wird die Zeremonie einer traditionellen Dorfhochzeit sehr ansprechend gefilmt. Und auch die Art und Weise, wie das Umfeld dort auf Beyto zugeht, reichert den Film stark mit Realismus an. Gsell zufolge wurde den Dorfbewohnern, um Probleme zu vermeiden, allerdings nicht gesagt, wovon der Film handelt.

Zum anderen zeichnet den Film wie eingangs erwähnt positiv aus, dass er Beyto nicht einfach nach Mikes Pfeife tanzen lässt. Für Mike selbst ist es offenbar kein Problem, dass er keinen Kontakt mehr zu seinen eigenen Eltern hat, die seine sexuelle Orientierung ablehnen. Beytos Art, Coming-out und Familienkonflikt anzugehen, sind anders, als von Mike erwartet. Auch das Tempo bestimmt er selbst. Was Beyto versucht, ist eben viel komplexer, als ein glatter Bruch mit einem scheinbar verständnislosen Milieu. Manchmal, wenn gar keine Lösung in Sicht ist, geraten die Dinge dennoch überraschend in Bewegung. Da kann auch Mike noch etwas dazulernen.

Beyto (2020)

Beyto ist ein fantastischer Schwimmer und cooler Kumpel. Doch als sich der junge Schweizer mit türkischen Wurzeln in seinen attraktiven Trainer Mike verliebt, gerät seine heile Welt durcheinander. Um Tradition und Ehre zu wahren, sehen Beytos Eltern nur einen Ausweg: Ihr Sohn muss so schnell wie möglich eine Frau heiraten! Mit einem Vorwand locken sie ihn in ihr türkisches Heimatdorf und organisieren eine Hochzeit mit Seher, Beytos Freundin aus Kindertagen. Plötzlich befindet sich der junge Mann in einer Dreiecksbeziehung, die ihn zu zerreißen droht: Wie kann er zu Mike stehen, ohne Seher die Zukunft zu rauben? (Quelle: Salzgeber)

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