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Im Marvel Cinematic Universe stellt sich eine neue Gruppe von Superheld*innen vor: Die sogenannten Eternals müssen in der Gegenwart einen Angriff auf die Menschheit abwenden. Ob Independent-Regisseurin Chloé Zhao diese Standardprämisse für individuelle Akzente nutzen kann?

Eternals (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Wächter der Menschheit

Songs My Brother Taught Me, The Rider und Dreifch-Oscar-Gewinner Nomadland – die bisherigen Regiearbeiten der Chinesin Chloé Zhao zeichnen sich durch einen intimen, ganz auf die Figuren und ihre Befindlichkeiten konzentrierten Blick aus. Kann jemand mit dieser Herangehensweise ans Filmemachen in der Spektakelfabrik des Marvel Cinematic Universe (MCU) bestehen? Dem überlebensgroßen Treiben vielleicht sogar einen persönlichen Stempel aufdrücken? Eternals, der nunmehr 26. Beitrag der fortlaufenden Leinwandreihe und der nach Black Widow und Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings dritte Teil der vierten Phase in diesem beispiellosen Großprojekt, zeigt, dass man die aufgeworfenen Fragen mit „Jein“ beantworten muss. Der auch am Drehbuch beteiligten Zhao ist es erwartungsgemäß nicht möglich, sich komplett von den Formeln des Blockbuster-Geschäfts zu lösen. Mehrfach nimmt sie allerdings Abzweigungen vom üblichen Marvel-Strickmuster. 

Unübersehbar eifert Eternals in der Hinwendung zu mehr Diversität dem direkten Vorgänger Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings nach. Dominierten bislang weiße, männliche Superhelden das Feld, betreten nun gleich mehrere ganz unterschiedliche Retter*innen die Bühne. Neben der gehörlosen, über Zeichensprache kommunizierenden Makkari (auch im wahren Leben gehörlos: Lauren Ridloff) findet – endlich muss man sagen – im Marvel-Universum auch eine homosexuelle Beziehung Platz. Das Bekenntnis zu mehr Vielfalt ist begrüßenswert, wird natürlich aber wieder zahlreiche Kritiker*innen auf den Plan rufen, die sich über die Agenda der Macher*innen echauffieren. 

Im Zentrum von Eternals stehen die titelgebenden, mit außergewöhnlichen Kräften ausgestatteten, quasi unsterblichen Wesen, die vor vielen tausend Jahren auf die Erde geschickt wurden, um die Menschheit vor echsenartigen Alien-Kreaturen namens Deviants zu beschützen. Zusammen mit diesem Auftrag erhielten Eternals-Anführerin Ajak (Salma Hayek) und ihre Mitstreiter*innen Sersi (Gemma Chan), Ikaris (Richard Madden), Sprite (Lia McHugh), Thena (Angelina Jolie), Makkari, Phastos (Brian Tyree Herny), Kingo (Kumail Nanjiani), Gilgamesh (Don Lee alias Ma Dong-seok) und Druig (Barry Keoghan) die Weisung, nicht anderweitig in den Lauf der Geschichte und die Konflikte auf der Erde einzugreifen. Als die besiegt geglaubten Deviants, versehen mit verbesserten Fähigkeiten, urplötzlich in der Gegenwart auftauchen, müssen sich die seit längerem in alle Winde zerstreuten Eternals wieder vereinen. Ein Mord macht ihre Aufgabe jedoch nicht einfacher.

In ihrer ersten Multi-Millionen-Dollar-Produktion stand Chloé Zhao vor der nicht gerade beneidenswerten Herausforderung, zahlreiche neue Hauptfiguren in das Marvel Cinematic Universe einzuführen und ihnen ausreichend Profil zu verleihen. Auch bei einer recht üppigen Laufzeit von über zweieinhalb Stunden liefert der fertige Film keine tiefschürfenden Charakterporträts. Wohl aber gelingt es der Regisseurin und Koautorin, trotz melodramatischer Anflüge in einzelnen Momenten stärker auf die Wünsche und Zweifel der Protagonist*innen einzugehen, als man es in der Marvel-Reihe gewohnt ist. Gerade einem zentralen Erkenntnis- und Wendepunkt, dem Augenblick, in dem die gottgleichen Superheld*innen Erstaunliches über ihre Herkunft und ihre Mission erfahren, hätte das Skript allerdings noch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken dürfen, um den damit verbundenen existenziellen und philosophischen Überlegungen größeres Gewicht zu verleihen.

Die epische Breite der Geschichte kommt bereits in den immer wieder eingeflochtenen Rückblenden zum Ausdruck, die uns das Handeln der Eternals konkret illustrieren. Vor allem ausstattungstechnisch und optisch machen die Ausflüge in das antike Babylon und das Tenochtitlán des Jahres 1521, während der Invasion der Spanier, einiges her. Das 26. Marvel-Kapitel entführt uns auf eine Reise durch unterschiedliche Kulturen und ist bei den auf die Gesamtlänge sinnvoll verteilten Actionsequenzen stets auf der Höhe. Zhao bringt zwar keine bahnbrechenden Schlachtpassagen in den Kasten, erweist sich aber als kompetente Kampfarrangeurin, die nie die Übersicht verliert und zu keinem Zeitpunkt in konfuse Schnittgewitter verfällt. Schön ist außerdem, wie die Regisseurin ihr in früheren Werken erkennbares Gespür für die Wirkung von Landschaften in den Blockbuster überführt. Computergenerierte Elemente und echte, Ehrfurcht weckende Naturkulissen werden hier zum Teil sehr überzeugend kombiniert.

Wie in manch anderen Marvel-Arbeiten auch ist die Figurenzeichnung bisweilen jedoch etwas schludrig, sodass nicht alle Wendungen ihre ganze Kraft entfalten können. In diesem Fall wechselt ein Eternals-Mitglied im Finale recht abrupt auf die zerstörerische Seite. Die vorgebrachten Gründe sind durchaus interessant, hätten aber etwas besser angeteasert werden müssen. Holprig wird es immer dann, wenn Zhao und Co versuchen, den aus dem MCU-Kosmos bekannten Humor in die Handlung einzubauen. Die Gags sind keineswegs immer lustig. Und wiederholt erscheinen die Witzeinlagen regelrecht deplatziert. Wundern kann man sich, da der Film kulturelle Sensibilität ausstrahlen will, zudem, dass er am Beispiel des in der Gegenwart als Regisseur und Schauspieler arbeitenden Kingo die Bollywood-Industrie ein wenig durch den Kakao zieht. Klischeehaft und gefangen in der Rolle eines plumpen komischen Sidekicks bleibt Kingos Vertrauter Karun (Harish Patel), der ständig bemüht ist, die Reunion der Eternals filmisch festzuhalten und seinen Boss ins rechte Licht zu rücken. Die kleinen erzählerischen Nachlässigkeiten und Rückgriffe auf vertraute Muster stechen in der Summe zu sehr hervor, um Zhaos Marvel-Einstand in ein rundum Grenzen sprengendes Erlebnis zu verwandeln. Wer nach größerem Experimentiermut sucht, wird dann doch eher in den bei Disney+ veröffentlichten MCU-Serienablegern, allen voran WandaVision, fündig.

Eternals (2021)

Marvel Studios‘ „Eternals“ heißt ein neues Superheldenteam im Marvel Cinematic Universe willkommen – eine Gruppe unsterblicher Helden, die seit Tausenden von Jahren im Geheimen auf der Erde lebt. Nun sind sie durch eine unvorhergesehene Tragödie gezwungen, aus dem Verborgenen hervorzutreten und sich gemeinsam gegen die ältesten Feinde der Menschheit zu stellen: Die Deviants. 

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