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Wie weit würden Eltern gehen, um das Leben ihres schwerkranken Kindes nur irgend möglich verlängern zu können? Regisseur und Autor Steffen Weinert rührt mit seinem zweiten Langfilm „Das Leben meiner Tochter“ an ein politisch-ethisches Tabuthema: den kriminellen Organhandel innerhalb der EU.

Das Leben meiner Tochter (2019)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Herzflimmern

„Er heißt übrigens Radu“, behauptet ein zwielichtiger Chirurg (André M. Hennicke) gegenüber dem emotional stark wankenden Familienvater Micha Faber (Christoph Bach), der kurz zuvor seine eigene Tochter nach Rumänien entführt hat, um ihr dort ein mit kriminellen Mitteln beschafftes „Spenderherz“ einpflanzen zu lassen. Dieser kurze Dialogfetzen aus Steffen Weinerts zweiten Langfilm „Das Leben meiner Tochter“ klingt nicht nur wie eine konventionell inszenierte Fernsehräuberpistole, sondern sieht über weite Strecken (Bildgestaltung: Gabriel Lobos) leider auch genauso aus.

Trotz einer durchaus brisanten Thematik, die den Drehbuchabsolventen und Buchautor Weinert, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat, zu diesem Filmprojekt veranlasst hat. Das zentrale Anliegen des 1975 geborenen Filmemachers und Drehbuchautors (Finn und der Weg zum Himmel), mit seinem offen emotional angelegten Spielfilm ein größeres Publikum für das Tabuthema Organspende zu sensibilisieren, ist ihm mit diesem zwar unspektakulär in Szene gesetzten, jedoch gesellschaftspolitisch hochrelevanten Drehbuchstoff in toto passabel, wenn auch nicht überragend, gelungen.

Er wolle damit „eine Geschichte erzählen, die die moralischen Grenzen auslotet“, sagt Weinert über seinen Grundantrieb für dieses filmische Herzensprojekt. Im Zentrum dieser moralisch-ethischen „Achterbahnfahrt“ (Steffen Weinert) steht die achtjährige Jana, die bei einem gemeinsamen Familienausflug in den Bergen plötzlich von akuter Atemnot befallen wird – und sofort in die Notaufnahme gebracht werden muss. Kurz darauf erfahren die Eltern Micha (Christoph Bach) und Natalie Faber (Alwara Höfels), dass ihre Tochter schwer herzkrank ist und möglichst rasch ein Spenderorgan benötigt.

Ihre Überlebenschance geht ansonsten gen null, was die eigenwillig-aufgeweckte Jana (Maggie Valentina Salomon als erfrischende Schauspieldebütantin) später lediglich mit einem trockenen „Jeder muss sterben“ quittiert: Nicht nur zur Überraschung ihres sichtlich überforderten Vaters, der nicht nur wegen seines Rollennamens gleich mehrere Assoziationen zur berühmten „Homo-Faber“-Figur aus Max Frischs Roman weckt. Für jedes noch so komplexe Problem wird sich schließlich eine passable technisch-naturwissenschaftliche Lösung finden, ist er überzeugt.

Und wenn alles nichts (mehr) hilft: Dann rollt eben der Rubel und das nächste illegale Organ – irgendwo in Rumänien – wartet schon auf (s)einen deutschen Empfänger. Christoph Bach verkörpert diesen Micha als zentrale Hauptfigur weitgehend nahbar und einfühlsam, ohne allzu oft in die Kitschfalle zu tappen, wenngleich mehrere Dialogzeilen in Das Leben meiner Tochter geradezu vor ambivalentem Herz-Schmerz-Pathos strotzen: „Ich hab’ dich sehr lieb, Kind“ (Micha) – „Ich hab’ dich auch lieb“ (Jana) oder „Falls ich sterbe, komme ich bestimmt als Blume wieder“.

Das kann man nun süßlich-ehrlich finden oder als kitschig-banalen Drehbuchschmarrn abkanzeln, was im Grunde nicht minder für eine Reihe ästhetischer (Musik: Matthias Sayer und Tim Ströble) wie dramaturgischer Entscheidungen in Weinerts Film gilt, der sich in den letzten zehn Minuten obendrein sogar noch partiell in einen Thriller verwandelt. Insgesamt mag jenes auf ein breites Publikum zielende Konzept sicherlich als Fernsehfilmaufmacher zur Primetime (beispielsweise für eine „ARD-Themenwoche“) ordentlich funktionieren. Für einen durchgängig nervenaufreibenden Familien-, Beziehungs- oder gar einen moralisch-ethischen Diskurs-Film zum derzeit historisch niedrigen Organspenderaufkommen in der BRD für die große Kinoleinwand reicht das Ganze allerdings nur bedingt. Und so macht sich beim Zuschauer alsbald das Gefühl breit, dass Weinerts an sich engagiert, aber verhältnismäßig lehrbuchhaft angelegter Leinwandstoff über das wörtlich zitierte „Prinzip Hoffnung“ (Ernst Bloch) für eine Laufzeit von 90 Minuten nie hinauskommt.

Schade eigentlich, da alleine in Deutschland derzeit gut 10.000 schwerkranke Menschen dringend auf ein Spenderorgan warten und eine offene Debatte im Deutschen Bundestag über die Novellierung des Organspendeausweises sowie eine sogenannte „doppelte Widerspruchslösung“ (Bundesgesundheitsminister Jens Spahn) gerade erst richtig an Fahrt aufgenommen hat.

Das Leben meiner Tochter (2019)

Jana ist acht, als ihr Herz plötzlich stehen bleibt. Sie überlebt, doch braucht dringend ein Spenderherz. Nachdem sie ein ganzes Jahr – angeschlossen an ein kühlschrankgroßes Herzunterstützungssystem – im Krankenhaus verbringt und noch immer kein passendes Organ gefunden ist, schwinden bei Vater Micha Geduld und Vertrauen. Er wendet sich an einen Organhändler, trotz aller Warnungen der Ärzte und gegen den ausdrücklichen Willen von Mutter Natalie. Auf dem Weg zu einem neuen Herzen riskiert Micha nicht nur seine Ehe, Firma und die Aussicht im Gefängnis zu landen, sondern muss sich immer mehr der Frage stellen, wie weit man gehen darf, um das Leben des eigenen Kindes zu retten.

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Meinungen

Irmgard Sollinger · 20.06.2019

Sehr schön und stimmig ist der Einbezug der Gemälde von Kathrin Landa, einer Künstlerin der Leipziger Schule, in den Film.

Anna Meier · 26.05.2019

sehr schöner Film zu einem sehr wichtigen Thema . Schaue ich mir aufjedenfall an .

Steven · 06.05.2019

Ein grossartiger Film zu einem aktuellen Thema sensibel umgesetzt!

Maja · 20.03.2019

Wie weit würdest du gehen, um das Leben deines Kindes zu retten?
Wichtiges Thema wunderbar umgesetzt, toller Cast!
Prädikat wertvoll.