Log Line

Die britische Grand Dame Helen Mirren in einem Spukhausfilm, inszeniert von den Machern des achten „Saw“-Kapitels unter Bezugnahme auf angeblich wahre Begebenheiten. Kann das, was zumindest auf dem Papier reizvoll klingt, tatsächlich überzeugen?

Winchester - Das Haus der Verdammten (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Belastendes Erbe

Das sogenannte Winchester Mystery House gehört nicht nur zu den historischen Wahrzeichen Kaliforniens, sondern zählt auch zu den bekanntesten Spukanwesen der Welt, weshalb es jedes Jahr unzählige Touristen in das viktorianische Gebäude verschlägt. Die in Deutschland geborenen, seit ihrer Kindheit aber in Australien beheimateten Zwillingsbrüder Michael und Peter Spierig, die zuletzt das achte Kapitel der Folterhorror-Reihe „Saw“ aufschlugen, befassen sich in ihrer neuesten Regiearbeit mit den bizarren Mythen, von denen die monströse und verwinkelte Villa seit ihren Anfängen umgeben ist.

Im Jahr 1906 erhält der Psychologe Dr. Eric Price (Jason Clarke), dem der Tod seiner Ehefrau Ruby (Laura Brent) schwer zu schaffen macht, von einem Vertreter des Waffenherstellers Winchester einen pikanten Auftrag. Um den Geisteszustand von Sarah Winchester (Helen Mirren), der Hauptgesellschafterin der Firma, zu untersuchen, soll der Arzt vorübergehend in ihr Domizil vor den Toren San Josés ziehen. Einem labyrinthischen Gebilde, an dem die Besitzerin ununterbrochen bauen lässt, da sie den gequälten Seelen der Menschen ein Zuhause bieten will, die durch eine Winchester-Waffe ums Leben kamen.

Nach seiner Ankunft trifft Price zunächst auf Sarahs Nichte Marion (Sarah Snook), die mit ihrem Sohn Henry (Finn Scicluna-O’Prey) ebenfalls das unübersichtliche Anwesen bewohnt. Erst mit einiger Verzögerung lernt er schließlich die Hausherrin kennen, die noch immer in schwarzer Trauerkleidung umherläuft, obwohl der Tod ihres Kindes und ihres Ehemannes schon einige Zeit zurückliegt. Im Verlauf seiner Gespräche mit der exzentrischen, an einen Familienfluch glaubenden Winchester-Erbin drängt sich dem eigentlich rationalen Mediziner mehr und mehr der Verdacht auf, dass in der weitläufigen Villa tatsächlich übernatürliche Dinge vor sich gehen.

Nach ihrem Ausflug in den Bereich des blutrünstigen Saw-Horrors schlagen die Spierig-Brüder nun gänzlich andere Schreckenstöne an. Winchester – Das Haus der Verdammten ist ein klassischer Haunted-House-Stoff und versucht die meiste Zeit, dem Publikum über eine unheimliche Atmosphäre das Fürchten zu lehren. Konventionelle, für Horrorfreunde oftmals vorhersehbare jump scares, die im heutigen Gruselkino leider immer aufdringlicher inszeniert werden, finden auch hier gelegentlich Verwendung. Zu einer dauerhaft lärmenden Geisterbahnfahrt entwickelt sich der Film allerdings nicht, wenngleich das Effektgetöse im Finale spürbar zunimmt.

Der ungewöhnliche Handlungsort, der über zahlreiche Irrwege, falsche Türen und im Nichts endende Treppen verfügt, lässt durchaus ein Gefühl der Beklemmung und Ungewissheit aufkommen. Wie mahnende Erinnerungen an den Fluch erscheinen die regelmäßig, zu jeder Tages- und Nachtzeit ertönenden Baugeräusche, die etwas Gespenstisches an sich haben. Und manchmal gelingt es dem Regiegespann sogar, eine Gruselszene mit enormer Intensität aufzuladen. Etwa dann, als Sarah von einem offensichtlich besessenen Henry mit einem Gewehr beschossen wird.

Dass der von angeblich wahren Begebenheiten inspirierte Spukstreifen trotz einiger reizvoller Ansätze unter dem Strich zu selten in den Bann zieht, hat mehrere Gründe. Bedauerlich ist unter anderem, dass die Macher die Verschrobenheit ihres Settings häufig nur andeuten und das gigantisch-verschachtelte Anwesen zu wenig nutzen, um den Psychologen und den Zuschauer in die Irre zu führen. Spannende Überlegungen zur Frage „Wie kontrolliere ich meine Angst?“ und zur Grenze zwischen Realität und Fantasie werden in den Diskussionen von Sarah und Dr. Price lediglich angerissen und hängen ähnlich in der Luft wie die eher halbherzig eingearbeiteten Backstorys der Protagonisten. Etwas ausführlicher hätten sich die Spierig-Zwillinge und Co-Autor Tom Vaughan (Unstoppable) außerdem mit den Hintergründen des Familienfluchs befassen können. Immerhin kommt darin ein interessanter und zugleich beunruhigender Gedanke zum Vorschein: Welche Verantwortung tragen Waffenfirmen, wenn Menschen durch ihre Produkte sterben?

Oscar-Preisträgerin Helen Mirren, die man nicht unbedingt in einem Horrorfilm erwarten würde, verleiht der eigenwilligen, von Schuldgefühlen zerfressenen Erbin eine angemessen unnahbare Aura und schafft es, auch in skurrilen Momenten – Stichwort: Skizzenanfertigung – keine lächerliche Figur abzugeben. Verhindern kann sie jedoch nicht, dass Winchester – Das Haus der Verdammten tief im Genremittelmaß steckenbleibt.

Winchester - Das Haus der Verdammten (2018)

Nach dem Tod ihrer Familie ist die Waffen-Erbin Sarah Winchester fest davon überzeugt, dass sie von den Seelen jener Menschen heimgesucht wird, die durch die Fabrikate ihres Unternehmens den Tod fanden. Um die Mächte aus dem Jenseits in Schach zu halten, baut Winchester über viele Jahre hinweg ein riesiges Anwesen. Und als sie Besuch von einem Psychiater erhält, der sie auf ihren Geisteszustand untersuchen will, muss dieser feststellen, dass Winchesters Schreckgespenster vielleicht doch gar keine sind, sondern vielmehr eine höchst reale Bedrohung darstellen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen