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In „Léon – Der Profi“ ergeben Action, Humor und Tiefgang ein stimmiges Ganzes. Vor allem ist der Film ein Beweis für das Schauspieltalent von Jean Reno und Natalie Portman.

Léon - Der Profi (1994)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

She likes me, so I like myself

Léon (Jean Reno) lebt in New York und ist ein sogenannter „Cleaner“, ein Auftragskiller. Zu Beginn von Luc Bessons „Léon – Der Profi“ sieht sich der Protagonist in einem Kino das Filmmusical „Vorwiegend heiter“ an. „Love has made me see things in a different way“, singt Gene Kelly darin: „If someone wonderful as she is can think I’m wonderful / I must be quite a guy!“

Die Lyrics dieses Songs beschreiben treffend, welchen emotionalen Einfluss die zwölfjährige Mathilda (Natalie Portman) alsbald auf Léon haben wird. Als Léon beobachtet, wie der korrupte DEA-Agent Norman Stansfield (Gary Oldman) mit seiner Truppe die nebenan wohnende Familie des Mädchens ermordet, rettet er Mathilda – nicht unbedingt heldenhaft, sondern eher widerwillig – das Leben, indem er ihr in seiner Wohnung Unterschlupf gewährt. Es dauert nicht lange, bis Mathilda dahinterkommt, womit Léon sein Geld verdient. Sie will daraufhin sein „Handwerk“ erlernen, um Rache für ihren kleinen Bruder üben zu können. Léon weigert sich zunächst – bis die beiden einen Pakt schließen: Léon soll Mathilda das Töten lehren, während sie ihm das Lesen und Schreiben beibringen und obendrein den Haushalt führen soll.

Der in Marokko geborene französische Schauspieler Jean Reno, Jahrgang 1948, hatte bereits in diversen Regiearbeiten von Besson, etwa Subway (1985) und Im Rausch der Tiefe (1988), mitgespielt, ehe er 1994 mit Léon – Der Profi zum internationalen Star wurde. Auf unnachahmliche Weise verkörpert er hier einen prinzipientreuen Killer, der zugleich ein erstaunlich kindlicher und schwerfälliger Mensch ist. Nicht nur die zwölfjährige Mathilda, sondern auch Léon macht im Laufe der Geschichte einen wuchtigen Coming-of-Age-Prozess durch. Beide Figuren haben mit schweren (seelischen) Verwundungen zu kämpfen. Ohne einander bewusst gesucht zu haben, finden sie im Gegenüber eine wichtige Person, von der sie lernen können.

Die seltsame Verbindung zwischen Léon und Mathilda ist eine Melange aus einer Vater-Tochter-Beziehung, einem in beide Richtungen gehenden Verhältnis zwischen lehrendem und lernendem Part sowie einer fraglos problematischen Amour fou. Dass insbesondere dieser Aspekt zu keiner Sekunde reißerisch anmutet, ist vor allem dem subtilen Spiel von Reno und Portman zu verdanken, deren Mimik, Gestik und Körperhaltung von schauspielerischer Perfektion zeugen. Die spätere Oscar-Gewinnerin Portman (für Black Swan) liefert ein eindringliches, unvergessliches Leinwanddebüt, weshalb es wahrlich nicht überrascht, dass sie bis heute in den unterschiedlichsten Genres und Rollen in der Welt des Films vertreten ist. Léon und Mathilda werden zudem mit derart vielen Details ausgestattet und kleinen Eigenheiten versehen, dass wir am Ende tatsächlich glauben, die beiden persönlich zu kennen.

Die sensible Präsentation dieses Duos rechtfertigt den Status eines modernen Klassikers eigentlich schon zur Genüge. Doch Léon – Der Profi ist nicht nur eine faszinierende Studie einer Beziehung, sondern auch ein äußerst stilsicher gemachter Actionfilm, der Suspense, eindrückliche Kampfchoreografien und absurde Situationskomik kombiniert. Die virtuose Kamera von Thierry Arbogast, die Montage von Sylvie Landra und die Musik von Éric Serra gehen eine Symbiose ein, aus deren Bann wir uns über die gesamte Filmlaufzeit nicht zu lösen vermögen (und das auch gar nicht wollen).

Monieren lassen sich hier allenfalls Kleinigkeiten. Die Überzeichnung von Mathildas Vater, Stiefmutter und -schwester als ungehobelte Sippe ist ein bisschen zu albern geraten. Und Gary Oldmans psychopathische Raserei, einhergehend mit Amphetaminsucht, grotesken Verrenkungen sowie einer besonderen Vorliebe für klassische Musik, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Schurkenklischee. Dies ist allerdings in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass Oldmans Stil seither in unzähligen Filmen von unzähligen Darstellern unrühmlich zu kopieren versucht wurde – was den Stellenwert dieses Actionthriller-Dramas letztlich nur noch deutlicher unterstreicht.

Léon - Der Profi (1994)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Killer und das Mädchen

Luc Bessons unverwüstlicher Klassiker über die eigentlich unmögliche Freundschaft zwischen einem eiskalten Profikiller und einem Mädchen hat auch 25 Jahre nach seinem Kinodebüt nichts von seiner Faszination verloren. Zumal die Neuauflage nun im Director’s Cut auf die große Leinwand zurückkehrt.

Der Profikiller Léon (Jean Reno) führt ein einsames und weitgehend isoliertes Leben ohne nennenswerte soziale Bindungen. In seinem harten Geschäft kennt er nur zwei Ausnahmen – niemals wird er Frauen oder Kinder umlegen. Als eines Tages das Nachbarsmädchen Mathilda (Natalie Portman) erleben muss, wie ihre gesamte Familie von einem Mörder ausgelöscht wird, sucht die traumatisierte Zwölfjährige bei Léon Unterschlupf und findet heraus, welche blutige Profession der wortkarge Mann betreibt. Beseelt von dem Wunsch nach Rache für ihren vierjährigen Bruder – der Rest ihrer Familie ist ihr herzlich egal – bedrängt Mathilda den widerstrebenden Auftragsmörder, ihr bei der Suche nach dem Mann behilflich zu sein, der ihr den Bruder raubte. Léon lehnt zunächst ab, doch Schritt für Schritt erweicht das hübsche Mädchen sein Herz, und beinahe entwickelt sich zwischen den beiden so etwas wie Liebe, was nur durch das Alter von Mathilda verhindert wird. Die sich anbahnenden Gefühle lassen den sonst so toughen Mörder weich, verletzlich und schließlich sogar verletzbar werden…

Luc Besson zeigt in seinem Film aus dem Jahr 1994 eine seltsam verkehrte Welt, in der harte Auftragskiller sich als wahre Menschen mit Herz erweisen, während die vermeintlichen Freunde und Helfer der Polizei selbst auf der Seite des Bösen stehen und sich schließlich sogar als Dealer und eiskalte Killer entpuppen. In einer Welt wie dieser ist Liebe ein gefährliches Unterfangen, und die zarte Traurigkeit, die Léon ausstrahlt, ist mehr als verständlich, denn es ist eine tief empfundene und berechtigte Klage über den Zustand der Welt, in der Zuneigung so vergänglich und zerbrechlich ist wie ein Windhauch. Léon, der Profi ist ein Glücksfall für das Kino, ein Film voller Härte und Zärtlichkeit, komplex und vielschichtig wie das Leben und das Kino selbst.
 

Léon - Der Profi (1994)

Léon verdient sein Geld als Auftragskiller der Italo-Mafia in den Straßen von New York. Er lebt zurückgezogen und pflegt außer zu seinem Boss Tony einzig zu seiner Topfpflanze ein freundschaftliches Verhältnis. Als die Familie seiner Nachbarstochter Mathilda von DEA-Polizisten brutal getötet wird, flüchtet das Mädchen zu Léon. Um sich an den Mördern ihrer Familie zu rächen, lässt sich Mathilda von Léon zur Profi-Killerin ausbilden. (Quelle: Verleih)

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Meinungen

Martin Zopick · 18.04.2023

Ein knallharter Thriller, der in seiner Darstellung aus dem Gangstermilieu durchaus mit Scorsese oder de Palma mithalten kann, aber noch zwei zusätzliche Facetten enthält: Herz und Humor. Beides kommt nicht nur von den hervorragenden Darstellern Leon (Jean Reno) und Mathilda (Nathalie Portman), sondern resultiert aus dem Gegensatz der beiden: ein Profikiller und eine zwölfjährige Göre. Ihr hat das Leben böse mitgespielt. (‘Ist das Leben immer so hart oder nur wenn man Kind ist?‘) Sie lehrt ihn Lesen, er bringt ihr das Schießen bei und was man so als Auftragskiller wissen muss wie z.B. den ‘Ringtrick‘ mit der Handgranate. Neben der finalen Ballerei gibt es mehrere darstellerische Highlights, wie Leons Lebensbeichte für die kleine Mathilda, der korrupte Drogenagent Stansfield (toll Gary Oldman) mit ihr auf der Toilette - da ist die Kamera ganz nah dabei - oder Mathildas Versuch mittels Russischen Roulettes Leon ihre Liebe zu beweisen. – hier leistet der Editor ganze Arbeit.
Lustige Szenen wechseln sich mit ernsten ab und halten die Spannung hoch. Das Ratespiel mit dargestellten Personen wie Madonna, Marilyn oder Charly Chaplin ist richtig nett ebenso wie Leons Erziehungsversuche, ihr das Fluchen oder Rauchen abzugewöhnen.
Besonders wenn menschliche Nähe und Wärme auf die Leinwand transportiert werden, bilden sie einen ungewöhnlichen Gegensatz zum kalten Gangstermilieu. Leon lehnt Mathildas Annäherungsversuche ab und ist dabei herrlich unbeholfen. Und für Happy End Fetischisten geht es auch recht vernünftig aus: Leon demonstriert Stansfield den Ringtrick und Mathilda spricht bei der Rektorin ihrer alten Schule vor.
Spannend, witzig und mit viel Gefühl. Kurz saugut! Kult halt inzwischen.