Toy Story 3

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Und jedem Abschied wohnt ein Zauber inne

Dass jede Kindheit irgendwann ihr Ende findet, das wussten Woody und Buzz schon am Ende von Toy Story 2 – „it will be fun while it lasts“, so sprechen sie sich Mut zu, dem Ende ins Auge zu blicken, der Zeit also, in dem ihr Besitzer Andy einmal erwachsen werden würde. Damals, 1999, war das freilich noch sehr weit weg. Und es spricht für den Mut der Leute bei Pixar, dass sie ihren beiden erfolgreichen Toy Story-Filmen noch einen dritten folgen lassen, der nun das Ende von Andys Kindheit thematisiert.
Der kleine Junge ist groß geworden, und was wird nun aus seinem Spielzeug, dem schreckhaften Tyrannosaurier Rex etwa, Mr. und Mrs. Potato Head und nicht zuletzt dem Cowboy Woody und seinem besten Freund, der Astronauten-Actionfigur Buzz Lightyear? In der Welt von Toy Story sind sie lebendig, und sobald die Menschen den Raum verlassen, lieben und streiten sie sich, schmieden Pläne und halten Treffen ab, bei denen sie sich über die Gefahren der Kunststoffkorrosion aufklären.

Die Wesen aus Plastik, Stoff und Metall, die in den ersten beiden Filmen von Regisseur John Lasseter (beim dritten Film ist er als Autor und ausführender Produzent involviert) lebendig wurden, sind seltsame Mischwesen zwischen erwachsen und kindlich: Verspielt sind sie – das ist natürlich ihr Schicksal –, aber sie tragen auch Verantwortung füreinander, sie sorgen sich umeinander und vor allem: um Andy, ihren Besitzer. Zugleich sind Woody und seine Freunde aber allen Nöten eines mühsamen Alltags enthoben – sie müssen sich nicht um körperliche Bedürfnisse wie Essen und Schlafen kümmern, dafür treten ihre seelischen umso deutlicher hervor. Wie wir wollen sie vor allem gebraucht, mehr noch: geliebt werden.

Das ist eigentlich schwere Kost, Stoff genug für schwermütige und komplexe Dramen – es spricht also Bände für die Fähigkeiten, die im Hause Pixar versammelt sind, dass dem Team um Lee Unkrich hier eine so leichtfüßig daherkommende, hemmungslos komische Erzählung gelingt, die ihre Protagonisten durch alle emotionalen Höhen und Tiefen jagt, aber nie schwermütig wird oder ihre hauptsächliche Zielgruppe – die nicht mehr ganz kleinen Kinder – aus den Augen verliert. Animationstechnisch ist Toy Story 3 sowieso auf dem aktuellen Stand, aber bei Pixar ist man nicht ausschließlich daran interessiert, wilde Achterbahnfahrten in 3D zu inszenieren oder Milliarden Haare an einem Plüschtier korrekt in Bewegung zu versetzen.

In wenigen Tagen wird Andy aufs College gehen, seine Spielsachen lagern schon seit einer Weile nur noch in einer Truhe neben dem Bett. Als seine Mutter ihn schließlich auffordert, seine Sachen vor dem Auszug noch zu sortieren und aufzuräumen, landet sein altes Spielzeug aus Versehen statt auf dem Dachboden zuerst neben der Mülltonne und schließlich im Kindergarten „Sunnyside“, wo Woody, Buzz und die anderen zunächst freundlich von dem Kuschelbär Lotso in Empfang genommen werden. Nachdem Woody zunächst vergeblich versucht hat, seine Freunde davon zu überzeugen, dass Andy sie keineswegs wegzuwerfen beabsichtigt hat, wollen sie tatsächlich „Sunnyside“ wieder verlassen; nun aber will Lotso, der dort eine mafiöse Schreckensherrschaft errichtet hat, sie daran hindern – also muss ein Plan her, um das vermeintlich friedliche Gefängnis zu verlassen.

Die dann folgende Fluchtsequenz ist eine clevere Melange aus Standardsituationen des Ausbruchsfilms – nicht nur einmal denkt man an Chicken Run – Hennen rennen – mit absurden Tricks, die nur möglich werden, weil hier nicht Menschen (oder Hühner), sondern Spielzeuge einen Ausweg suchen.

In diesen Momenten wie im ganzen Film: Es ist kaum möglich, die vielen Wendungen auch nur anzudeuten, die emotionalen Verwerfungen, die seine Protagonisten zu durchlaufen haben – Toy Story 3 steht da seinen Vorgängern in nichts nach. Im Gegenteil, Lee Unkrichs Film geht noch ein paar sehr entschlossene Schritte weiter und lässt in einer Szene seine Figuren dem Tod durch Müllverbrennung direkt ins Auge blicken. Da zitiert der Film, wie auch an anderer Stelle, Inszenierungen und Themen des Horrorfilms, und ist doch zugleich so ergreifend und ernsthaft, wie man es von vergleichbaren Szenen mit „echten“ Schauspielern nur selten sagen kann.

Die Auflösung dieser dramatischen Sequenz – denn selbstverständlich, das darf man den erwachsenen Zuschauern schon verraten, findet alles ein gutes Ende – ist dann ein brillanter Einfall, der im ersten Moment daherkommt wie ein Deus ex Machina, sich aber dann als zuvor bestens eingefädelter Gag entpuppt. Auch darin liegt die Brillanz und Sparsamkeit der Erzählung: Nichts passiert hier ohne Grund, alle Ereignisse werden vorbereitet, alle Handlungen motiviert.

So bekommen jetzt auch Figuren wie Mr. Potato Head, der in den vorangegangenen Filmen ein wenig Randfigur war, noch einen großen Auftritt – und es lohnt sich allein schon deshalb, die beiden ersten Toy Story-Filme noch einmal anzusehen, um die Entwicklung der Charaktere beobachten zu können. Darin zeigt der Film, wie sehr er – exemplarisch hervorgehoben am Beispiel von Andy und seiner Mutter – unterschwellig und nebenher, am Schluss aber ganz offen eine Meditation darüber ist, wie die Zeit uns verändert, unsere Bedürfnisse, unsere Verletzlichkeiten.

Denn am Ende nimmt Woody sein Schicksal und das seiner Freunde selbst in die Hand – und sie tun damit das, was sie immer schon getan haben: Sie helfen Andy beim Erwachsenwerden. Wie sie das tun, ist voll Nostalgie und Pathos in seinem Blick auf die Kindheit, und zugleich sehr ernst, erwachsen und ehrlich. Selten so geheult.

Toy Story 3

Dass jede Kindheit irgendwann ihr Ende findet, das wussten Woody und Buzz schon am Ende von „Toy Story 2“ – „it will be fun while it lasts“, so sprechen sie sich Mut zu, dem Ende ins Auge zu blicken, der Zeit also, in dem ihr Besitzer Andy einmal erwachsen werden würde. Damals, 1999, war das freilich noch sehr weit weg. Und es spricht für den Mut der Leute bei Pixar, dass sie ihren beiden erfolgreichen „Toy Story“-Filmen noch einen dritten folgen lassen, der nun das Ende von Andys Kindheit thematisiert.
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Meinungen

Shirabelle · 16.08.2010

Dieser Film hat mich von der ersten bis zur letzten Minute begeistert.
Nicht nur die alt bekannten Charaktere tragen einen mit Spaß durch den Film, auch die neuen Spielzeuge sind spannend. Und ja...obwohl es ein animierter wohl eher fürs jüngere Publikum gedachter Film ist, ist SPANNEND hier das richtige Wort.

Meine Review zu dem Film findet ihr auf meinem Blog.
Würde mich über weitere Meinungen freuen.

Shirabelle ✌

@Matthias · 13.08.2010

Auf kino-zeit.de gibts die Programme von mehr als 1.400 Kinos. Woher willst Du wissen, dass es sich bei dem Kommentar um dieses Kino handelt?

Matthias · 13.08.2010

@Anna, dann werd ich wohl besser mit meinem Sohn gleich ein anderes Kino ansteuern. Ist ja nicht grade eine Webung für die blaue Brücke....

Steffen · 11.08.2010

Ich habe ToyStory 3 letzte Woche im Kino gesehen und bin schwer begeistert von diesem Film! Endlich mal wieder ein Animationsfilm, der eine Botschaft überbringt und dabei auch noch sehr gut gemacht ist! Besonders die Storyline hebt sich qualitativ sehr stark von den anderen Animationsfilmen ab!

@Anna · 02.08.2010

"Toy Story 3" ist ohne Altersbeschränkung freigegeben. Daran sollte es nicht gelegen haben ...

Anna · 02.08.2010

Was ist mit Altersbeschränkung?
Überall im Internet steht FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung...
Heute wurden wir an der Kasse nicht durchgelassen mit unseren Kids (3 J. und fast 6 J.)
Niemand wollte dazu Stellung nehmen und Filialleitung waren angeblich auch nicht da...
Meine Kinder waren total entauscht...