Stille Nacht

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wie das beliebteste Weihnachtslied der Welt entstand

Fährt man auf der Autobahn von Salzburg in Richtung Süden, zu den Skigebieten, wo alljährlich im Winter Pisten und Pulverschnee locken, fällt eine Gedenktafel auf, die so gar nicht zur lärmenden Geschäftigkeit des Wintersportbetriebs passen mag: „Stille Nacht Gedenkstätten“ steht dort zu lesen – und wenn man es genau nimmt, ist das Hinweisschild weniger der Historie geschuldet als vielmehr eine schlaue Aktion des Regionalmarketing. Zwar stimmt es, dass der Pfarrer Josef Mohr, der den Liedtext dichtete, in späteren Jahren in Wagrain lebte. Allerdings gebührt die Ehre des Geburtsortes des wohl berühmtesten Weihnachtsliedes der Welt nicht dem Wintersportort, sondern vielmehr Oberndorf bzw. wenn man es nur auf den Text bezieht, dem viel weiter südlichen Mariapfarr im Lungau. Das alles sind freilich Feinheiten, die allenfalls lokalpatriotisch gesinnte Historiker interessieren dürfte.
Solcherlei geschichtliche Freiheiten kann man Christian Vuissas TV-Produktion Stille Nacht, die eigentlich für einen den Mormonen nahestehenden US-amerikanischen Pay-TV-Sender realisiert und von der Glaubensgemeinschaft finanziert wurde, nicht vorwerfen. Im Großen und Ganzen hält sich der Film an die bekannten Fakten und garniert die Geschichte mit emotionalem Puderzucker, wie sich das nun mal für einen richtigen Weihnachtsfilm gehört. Dass der Film nun in Deutschland und Österreich in die Kinos kommt, dürfte indes weniger seiner Qualität als vielmehr dem günstigen Zeitpunkt geschuldet sein – die zahlreichen Auszeichnungen, die der Film auf diversen Festivals bekommen hat, sind eher der Ausrichtung des Films geschuldet als seinen künstlerischen Qualitäten. Die sind nämlich recht überschaubar.

Im Jahre 1818 wird der Hilfspfarrer Josef Mohr (Carsten Clemens) nach Oberndorf in die Nähe von Salzburg versetzt. Durch die neue Ordnung der Grenzen hat der Ort als Grenzstadt zwischen den Erzfeinden Bayern und Österreich jegliche Bedeutung und Perspektive verloren – und diese Hoffnungslosigkeit spürt man den Menschen auch an.

Immerhin aber findet der idealistische junge Geistliche in seinem Vorgesetzten Pfarrer Kessler (Robert Spitz) einen Menschen, dem das Wohlergehen der Gemeinde in ähnlichem Maße am Herzen liegt wie ihm selbst. In ihrem gemeinsamen Streben, den Menschen den Trost des Glaubens näher zu bringen, wagen die beiden Pfarrer das bis dahin Undenkbare – sie halten eine Predigt auf Deutsch statt auf Latein, wie damals noch üblich.

Auch die Begegnung mit dem Organisten und Musiker Franz Xaver Gruber (Markus von Lingen) bestärkt Mohr in seinem Streben nach wahrer christlicher Fürsorge und Nächstenliebe: Gemeinsam mit ihm begründet er einen Kirchenchor, der ebenfalls Lieder auf Deutsch statt auf Latein einstudiert. Als dann aber Maria (Janina Elkin) und deren Freunde, die in dem Ort als „Gesindel“ gelten, durch den neuen Elan zum Kirchenbesuch animiert werden und die junge Frau auch noch im Kirchenchor singen soll, setzen die Autoritäten dem Treiben ein Ende und tauschen Kessler gegen den autoritären und stockkonservativen Pfarrer Nöstler (Clemens Aap Lindenberg) aus. Der setzt dem liberalen Spuk ein jähes Ende. Doch Mohr und seine Mitstreiter lassen sich nicht entmutigen: Hoffnung und ein neues Ziel gibt ihnen ein Gedicht, das Mohr vor einigen Jahren selbst verfasst hat: „Stille Nacht, heilige Nacht“ lautet dessen Refrain.

Dass beim Betrachten von Stille Nacht so gar keine (vor)weihnachtliche Stimmung aufkommen mag, liegt weniger an den dem passablen Umgang mit Kamera, Schnitt und Ausstattung als vielmehr an einer kreuzbraven Erzählweise und überwiegend laienhaften schauspielerischen Leistungen. Die sorgen nämlich dafür, dass die gut gemeinte Botschaft des Films mehr als einmal kurz davor ist, ins Lächerliche zu kippen.

Die Lobeshymnen, die sich im Pressematerial zu dem Film finden, müssen wohl ebenso wie die zahlreichen Preise bei Festivals, von denen ich noch nie etwas gehört habe, entweder auf vorweihnachtliche Milde oder den übermäßigen Genuss von Weihrauch und/oder Messwein zurückzuführen sein. Ein (künftiger) Kultfilm für die Weihnachtszeit ist Stille Nacht jedenfalls nicht geworden. Wir raten da eher zu Frank Capras Klassiker Ist das Leben nicht schön?.

Stille Nacht

Fährt man auf der Autobahn von Salzburg in Richtung Süden, zu den Skigebieten, wo alljährlich im Winter Pisten und Pulverschnee locken, fällt eine Gedenktafel auf, die so gar nicht zur lärmenden Geschäftigkeit des Wintersportbetriebs passen mag: „Stille Nacht Gedenkstätten“ steht dort zu lesen – und wenn man es genau nimmt, ist das Hinweisschild weniger der Historie geschuldet als vielmehr eine schlaue Aktion des Regionalmarketing.
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Meinungen

René Weissenknecht · 24.12.2013

Ich finde den Film ganz rührend. Der Meinung des Autors, dass er mehrmals kurz davor ist, ins Lächerliche zu kippen, kann ich nicht teilen. Sicherlich hat sein Erfolg mit der christlichen Geschichte und der entsprechenden Gemeinde dahinter und der Zeit um Weihnachten zu tun, wo er nun in die Kinos kam aber eben nicht nur. Besonders die beiden Frauenrollen fand ich in ihrer schauspielerischen Leistung beeindruckend umgesetzt. Die verletzliche, alleinerziehende Mutter, die in dem Pfarrer gerne einen Mann im Haus finden würde und die toughe, Nägel mit Köpfen machende Maria als Symbolfigur für die nicht Latein sprechende Unterschicht, die mit ihrer Willenskraft, Verletzlichkeit und ihrer Darstellung so manchen Lacher im Kino verursachte.