Outrage

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Spirale der Gewalt

Ist es eine endgültige Rückkehr zu den Wurzeln oder nur ein vorübergehender Ausflug? Auf jeden Fall hat Takeshi Kitano mit Outrage wieder einen jener Yakuza-Filme gedreht, für die er vor allem am Beginn seiner Karriere bekannt geworden ist. Allerdings wartet der Film trotz seiner typischen Kitano-Handschrift dann doch mit einigen Neuerungen auf, die ihn auf alle Fälle zu einer sehenswerten, wenngleich manchmal sehr explizit brutalen Erfahrung machen.
Otomo (Takeshi Kitano) ist der Boss eines kleinen Clans innerhalb der Yakuza und eng mit dem Sanno-kai-Clan des Vorsitzenden Sekuichi (Soichiro Kitamura) verbunden. Der Chef des Yakuza-Rings ist erzürnt über seinen Unterboss Ikemoto (Jun Kunimura), der hinter seinem Rücken im Knast Freundschaft mit dem Boss (Renji Ishibashi) des konkurrierenden Murase-Clans geschlossen hat. Um sich des gegebenen Freundschaftsschwur zu entledigen, beauftragt Ikemoto seinen Freund Otomo damit, die delikate Gelegenheit diskret zu regeln. Was die beiden aber nicht ahnen: Sie sind nur Schachfiguren in einem Spiel um Macht und Herrschaft und treten mit ihrem Verhalten eine Spirale der Gewalt los, an deren Ende kaum jemand überleben wird und die Claims neu abgesteckt wurden.

Obwohl in Outrage für Kitanos Verhältnisse so viel gesprochen wird wie in kaum einem sehr Werke zuvor, bekommt man irgendwann im Verlauf der Geschichte den Eindruck, dass die Anzahl der Faustschläge und Schüsse die der gesprochenen Sätze bei weitem überwiegt. Nach wie vor versteht es Kitano, extreme Gewalt und Momente voller Komik und zynischem Witz zu einer ganz eigenen Mischung zu vermengen, die in einigen Momenten wahrhaft unter die Haut geht und manchem Zuschauer beim nächsten Besuch eines Zahnarztes oder HNO-Spezialisten ein mulmiges Gefühl bereiten dürfte. Die bislang in diesem Bereich Maßstäbe setzende Szene aus Marathon Man darf man zumindest in dieser Hinsicht in Zukunft eher in der Kategorie „Kinderkram“ einordnen. Außergewöhnlich ist auch die Musik, die hier collagenartig zusammengesetzt seltsam abstrakte Soundmuster benutzt, die nur an zwei Stellen in einen schon fast melodisch wirkenden ekstatischem Trommelrhythmus münden.

Diese zwar feinen, in Summe dann aber doch erheblichen Veränderungen gegenüber früheren Werken Kitanos finden sich auch im Figurenrepertoire von Outrage wieder: So fällt beispielsweise auf, dass die bis dato stets beherrschten Gangster in diesem neuen Werk Kitanos längst nicht mehr die alten Gefasstheit und Coolness ausstrahlen. Beinahe permanent wird geflucht, herumgepöbelt und ausgeflippt, fallen gegenseitige Beleidigungen und Handgreiflichkeiten, die verdeutlichen, dass die Umgangsformen und Regeln früherer Yakuza-Tage längst der Vergangenheit angehören, dass hier eine Zeit des Umbruchs beschrieben wird, in der Freundschaft und Loyalität vollkommen obsolet geworden sind. Kein Wunder also, wenn auch Otomo der Unbarmherzigkeit des Geschäfts nicht entkommt. Selbst im Gefängnis holen ihn seine offenen Rechnungen noch ein. Das Ende für einen zwar nicht weniger brutalen, aber immerhin einigermaßen loyalen Gangster, der in die neuen Zeiten schlicht nicht mehr passt.

Trotz seines derben Humors und seiner unbestreitbaren komischen Momente ist Outrage auch eine (recht laute und rumplige) Ballade, ein Abgesang auf die guten alten Zeiten und zugleich Vorbote eines Wandels, der nicht nur – so ist zu vermuten – die Yakuza, sondern alle Bereiche des Zusammenlebens erfasst. Es weht ein zunehmend rauer Wind, der alte Werte – seien sie gut oder schlecht – ohne Unterschied hinwegfegt.

Outrage

Ist es eine endgültige Rückkehr zu den Wurzeln oder nur ein vorübergehender Ausflug? Auf jeden Fall hat Takeshi Kitano mit „Outrage“ wieder einen jener Yakuza-Filme gedreht, für die er vor allem am Beginn seiner Karriere bekannt geworden ist. Allerdings wartet der Film trotz seiner typischen Kitano-Handschrift dann doch mit einigen Neuerungen auf, die ihn auf alle Fälle zu einer sehenswerten, wenngleich manchmal sehr explizit brutalen Erfahrung machen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen