Julia

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die One-Woman-Show der Tilda Swinton

Freitag Abend in einem Club irgendwo in den USA: Eine Gruppe von Thirtysomethings feiert ausgelassen und feucht-fröhlich den Beginn des Wochenendes – was auch immer es daran zu feiern gibt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht eine attraktive Frau namens Julia mit feuerroten Haaren, die im Laufe des Abends zunehmend betrunkener wird und sich zielsicher einen „Frischling“ aus der Gesellschaft für einen One-Night-Stand herauspickt. Das Erwachen am nächsten Morgen ist bitter: Der Mund ausgedörrt und mit schalem Geschmack, die Kleidung derangiert, der Mann an der Seite abstoßend, die eigene Schönheit und Selbstsicherheit vollkommen dahin. Man erfährt schnell, dass dies kein einmaliger Ausrutscher ist, sondern ein fester Bestandteil von Julias haltlosem Leben. Einzig Mitch (Saul Rubinek) ist ihr noch als Freund geblieben, sonst gibt es niemanden, der sich um sie sorgt und um den sie sich sorgt. Julia entschließt sich zu einem Besuch bei den Anonymen Alkoholikern, wo sie die junge Mexikanerin Elena (Kate del Castillo) kennen lernt. Die sichtlich psychisch angeschlagene Frau erzählt immer wieder von ihrem Sohn Tom (Aidan Gould), der ihr weggenommen wurde und fleht Julia an, ihr bei der seit langem geplanten Entführung ihres Kindes zu helfen. Julia wittert die Chance ihres Lebens, denn das Opfer ist der Enkel eines steinreichen Industriellen. Mit Hilfe eines Flachmanns und einer Pistole bringt sie den kleinen Jungen in ihre Gewalt, doch damit beginnen ihre Probleme erst. Denn nicht nur der Großvater des Jungen ist nun hinter ihr her, sondern auch eine Bande hypernervöser mexikanischer Gangster, die ihrerseits absahnen wollen…
Glaubt man sich am Anfang von Erick Zoncas Wettbewerbsbeitrag Julia noch in einer knallharten Studie über eine Alkoholikerin, so wird man schnell eines Besseren belehrt – oder eines Schlechteren. Denn je mehr sich der Film zur rasanten Entführungsklamotte wandelt, in deren Verlauf die Protagonistin auch noch ihre Liebesfähigkeit entdecken und unter Beweis stellen muss, desto hektischer, lauter und nerviger gerät die Story. Irgendwann im Laufe des immer abstruser werdenden Films wird Julia dann auch noch trocken, greift nicht mehr bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit zur Flasche. Doch zu diesem Zeitpunkt ist es dem Zuschauer bereits längst egal, was mit der Frau passiert, ob sie durch die zart knospende Liebe zu ihrem Entführungsopfer „geheilt“ wird oder im Spiel mit doppeltem und dreifachem Boden auf der Strecke bleibt.

Was den Film aber trotz manches Schnitzers in der Dramaturgie überaus sehenswert macht, ist die wunderbare Tilda Swinton. Selten sah man so viel Mut zur Hässlichkeit und Verkommenheit einer wunderschönen Frau auf der Leinwand  — lediglich Charlize Theron in Monster entblößte sich in ähnlicher Weise. Und doch behält Tilda Swinton immer eine unglaubliche Aura bei, an der man sich einfach nicht satt sehen kann.

Ohne Frage ist Tilda Swinton das große Ereignis dieses Films: Ihre Präsenz, ihre Ausstrahlung, ihre Fähigkeiten, zugleich abstoßend und im höchsten Maße wunderbar zu sein machen aus der Hauptfigur etwas ganz Besonderes – auch wenn Julia beinahe in den verschlungenen Wegen der Story unterzugehen droht. Schade, eigentlich ist man von Erick Zonca Besseres gewohnt. Vielleicht aber erging es ihm genauso wie mutmaßlich jedem Zuschauer: Angesichts der schauspielerischen Urgewalt von Tilda Swinton und ihrer Augen wird alles Andere einfach unwichtig.

Julia

Freitag Abend in einem Club irgendwo in den USA: Eine Gruppe von Thirtysomethings feiert ausgelassen und feucht-fröhlich den Beginn des Wochenendes – was auch immer es daran zu feiern gibt.
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Meinungen

Rosi · 05.07.2008

Oftmals unreal, die Story in jeder Hinsicht abenteuerlich, nicht direkt langweilig. Insgesamt aber recht mittelmäßig. Muss man nicht unbedingt gesehen haben.