Solo Sunny (1979)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein widerborstiger Filmklassiker der DDR

Ende der 1970er Jahre lebt die junge, ungezähmte Ingrid „Sunny“ Sommer (Renate Krößner) in einer kleinen Wohnung in Prenzlauer Berg innerhalb einer spießigen Nachbarschaft, die sich durch ihren „unsteten“ Lebenswandel mit lauter Musik, wechselnden Männerbekanntschaften und nistenden Tauben belästigt fühlt und an offizieller Stelle über sie beschwert. Doch Sunny, die dem eintönigen Dasein als Fabrikarbeiterin den Rücken gekehrt hat und nunmehr als Sängerin ihr Glück sucht, ist das schlichtweg schnuppe, zumal sie ohnehin nur selten zu Hause ist. Mit der Band „Die Tornados“, die innerhalb des miefigen Programms „Kunterbunt und immer rund“ mit bescheidenen akrobatischen Darbietungen durch die ländlichen Kulturhäuser der DDR tourt, tritt sie vor einem biederen Publikum als Sängerin auf.

Das ist sicherlich längst nicht das, was sich Sunny und auch die Band erträumen, die meist in drittklassigen Unterkünften nächtigen und ihre eigenen musikalischen Vorstellungen kaum verwirklichen können. Als der Saxophonist Norbert (Klaus Brasch), der Sunny allzu häufig mit seinen vehementen Annäherungsversuchen bedrängt, nach einer Prügelei auf Grund seiner dicken Lippe ausfällt, springt der lakonische Philosoph Ralph (Alexander Lang) für ihn ein, von dem sich Sunny sofort angezogen fühlt. Nach einer umständlichen wie hartnäckigen Verführungsaktion von Seiten der Sängerin beginnen die beiden eine Affäre, doch als sie Ralph mit einer anderen Frau erwischt, rastet Sunny aus, deren allgemeine Unzufriedenheit damit einen bitteren Höhepunkt erreicht, zumal sie von den Tornados gefeuert wird.

Trost sucht sie bei ihrer Freundin und einstigen Arbeitskollegin Christine (Heide Kipp), aber auf dem Tiefpunkt ihrer Sinnkrise angelangt schluckt Sunny eine Überdosis Medikamente und findet sich daraufhin im Krankenhaus wieder. Mit Christines wohlwollender Unterstützung bemüht sich die geschwächte Rebellin nun darum, sich wieder in ein Leben gemäß der gesellschaftlichen Normen zu zwängen. Sie kehrt an ihren Arbeitsplatz in der Fabrik zurück und nimmt sogar eine Einladung des Taxifahrers Harry (Dieter Montag) an, eines hartnäckigen Verehrers, der sie nur allzu gern heiraten will. Allerdings währt diese Phase nur kurze Zeit und scheitert an dem ungefälligen Freigeist der Sängerin, die schließlich noch einmal einen Neuanfang wagt und sich bei einer anderen Band vorstellt …

Solo Sunny stellt in vielerlei Hinsicht ein bedeutsames Werk aus der Filmschmiede der DEFA der ehemaligen DDR dar: Der Film ist die letzte Regiearbeit des Filmemachers Konrad Wolf (1925-1982), nach dem 1985 die berühmte älteste Hochschule Deutschlands für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg benannt wurde. Die damals populäre Schauspielertruppe, die hier in karikierender Disharmonie ganz wunderbar zusammenwirkt, repräsentiert eine Generation von Künstlern, die ebenso wie die Figur der widerborstigen Sunny unter der künstlerischen Enge des repressiven Gesellschaftssystems litten. Während Renate Krößner und Alexander Lang sich Mitte der 1980er Jahre nach Westdeutschland orientierten, starb Klaus Brasch, Sohn des damaligen stellvertretenden Kulturministers der DDR, vermutlich willentlich an einer Alkohol- und Tablettenvergiftung kurz nach der Premiere von Solo Sunny im Alter von 29 Jahren.

Insgeheim von der offiziell unliebsamen Lebensgeschichte der Künstlerin Sanije Torka inspiriert, die Alexandra Czok in ihrer Dokumentation Solo für Sanije – Die wahre Geschichte der „Solo Sunny“ von 2009 porträtiert, avancierte Solo Sunny mit seiner durchaus sehr deutlichen Gesellschaftskritik zu einem Publikumserfolg in der DDR. Die Geschichte dieser tapferen Außenseiterin, die es wagt, einen Eckenpinkler einen Eckenpinkler zu nennen, zu schlafen mit wem immer es ihr beliebt und sich wenig um eine regimekonforme Fassade schert, entwickelte sich rasch von einem Geheimtipp zum Klassiker. Nachdem dem Film bei der Berlinale 1980 der FIPRESCI Preis für Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase, der das Drehbuch verfasste und als Co-Regisseur fungierte, sowie der Silberne Bär für Renate Krößner als Beste Darstellerin verliehen wurden, konnte auch die Zensur der DDR nicht mehr einschreiten.

Mit ungefälligen, vielschichtigen Protagonisten, die ihre schräge, als selbstverständlich empfundene Normalität ungemein authentisch verkörpern, zeichnet sich Solo Sunny durch seine bei Zeiten derbe ironische Komik aus, hinter welcher mitunter die ganz große Einsamkeit der gefühlsmäßigen Isolation hervortritt. Das ganz wunderbar inszenierte Ende transportiert eine schlichte universelle Botschaft, die ihren Nachhall auch jenseits aller ideologischen Zusammenhänge verbreitet: Steh zu dem, was du bist, und folge dem, wonach es dich verlangt.
 

Solo Sunny (1979)

Ende der 1970er Jahre lebt die junge, ungezähmte Ingrid „Sunny“ Sommer (Renate Krößner) in einer kleinen Wohnung in Prenzlauer Berg innerhalb einer spießigen Nachbarschaft, die sich durch ihren „unsteten“ Lebenswandel mit lauter Musik, wechselnden Männerbekanntschaften und nistenden Tauben belästigt fühlt und an offizieller Stelle über sie beschwert.

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