Beltracchi - Die Kunst der Fälschung

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Die Kunst der Selbstdarstellung

Wolfgang Beltracchi wäre sicher nicht abgeneigt, sich selbst auf der ganz großen Leinwand zu bewundern. Als Protagonist des abendfüllenden Dokumentarfilms Die Kunst der Fälschung. Allerdings müsste er dazu wohl eine Nachmittagsvorstellung besuchen, denn abends darf er zur Zeit eher nicht ins Kino. Er muss pünktlich hinter Gefängnismauern einchecken. Der Maler und Kunstfälscher wurde im Oktober 2011 zu sechs Jahren Haft verurteilt – die er nun nicht hinter Gittern absitzt, sondern im offenen Vollzug recht umtriebig verlebt.
Er zeichnet, malt, hat eine 600-seitige Autobiografie geschrieben und stand zwischen Dezember 2011 und März 2013 immer wieder für den Dokumentarfilmer Arne Birkenstock (Sound of Heimat) vor der Kamera. Dem Regisseur und seinem Filmteam gewährte der Meister der gefälschten Bilder großzügigen Einblick in das System Beltracchi. Zusammen mit seiner Frau Helene (verurteilt zu 4 Jahren Haft, auch im offenen Vollzug) demonstriert Wolfgang Beltracchi nun also dem Kino-Publikum gut gelaunt, wie sie über Jahrzehnte hinweg die Kunstwelt genarrt haben. Und – verurteilte Straftäter hin oder her – die beiden freuen sich immer noch sichtlich ihrer gelungenen Coups.

Letztendlich haben die beiden wohl an die 300 selbstgefertigte Gemälde als „neue“, unentdeckte Werke bekannter Künstler in den Kunstmarkt geschleust. Der Schaden, den der gewiefte Wolfgang Fischer aus Höxter, Westfalen, zusammen mit seiner Frau (dessen wohlklingenden Nachnamen er angenommen hat und welche ihren Großvater Werner Jägers zur Legende der Bildherkunft beigesteuert hat) dem internationalen Kunstmarkt zugefügt hat, geht in die zig Millionen. Mit falschen Campendoncks, Max Ernsts und anderen Expressionisten finanzierte sich das Paar einen ausschweifend-legeren Lebensstil. Das großzügige Anwesen in Südfrankreich, die Villa in Freiburg und Trips in teure Karibik-Resorts inklusive. Die Kinder wussten wohl, dass Papa Künstler ist – dass er sein Vermögen als Kunstfälscher verdient, das ahnten auch die Nachbarn im Languedoc nicht.

Arne Birkenstock bekommt sie alle vor die gut geführte Kamera (von Marcus Winterbauer): die französischen Nachbarn, wie die Beltracchis sie noch einmal in Frankreich zum Essen einladen, bevor sie in Deutschland einfahren; die Beltracchi-Kinder, die vom Tag der Verhaftung in Freiburg erzählen. Auch die Gegenspieler und Geschädigten kommen zu Wort: der Chef-Ermittler aus Berlin, Kunst-Historiker, -Sammler, -Auktionatoren, -Techniker. Aber letztendlich ist Die Kunst der Fälschung eine One-Man Show mit Frau an der Seite. Eine sehr unterhaltsame Show. Die Beltracchis führen exemplarisch von A bis Z vor, mit welch abenteuerlicher Raffinesse die Fälschungen entstanden sind. Vom Kauf alter Leinwände auf dem Flohmarkt, die als Gemäldegrundlage dienen, bis hin zur künstlichen Alterung des neuen alten Gemäldes im selbstgebauten Ofen.

Die beiden sind dabei ungemein entspannt vor der Kamera. Und das ist sicher nicht nur ihrer hippiesken Lebenseinstellung zu verdanken, sondern auch der Tatsache, dass Regisseur Arne Birkenstock der Sohn des Anwaltes Reinhard Birkenstock ist, der die Beltracchis vor Gericht erfolgreich verteidigt hat. In der Gerichtsverhandlung ging es nur um vierzehn enttarnte Werke. Falls sich der Künstler nun vor der Kamera verplaudert hätte, so hat er zumindest sicher sein können, dass belastende Äußerungen im Schnitt getilgt werden.

Der Montage (von Katja Dringenberg) ist es sicher auch zu verdanken, dass Wolfgang Beltracchi so entwaffnend sympathisch daherkommt. Er ist keine scheue Künstlerseele, im Gegenteil, eher eine selbstgefällige Rampensau, deren riesiges Ego auch schnell des Guten zu viel sein kann. In Birkenstocks Film gibt er sich zwar auch tendenziell größenwahnsinnig, was jedoch in unterhaltsamer Dosierung präsentiert wird, wirksam abgerundet mit einer Prise Selbstironie und einer Menge Drive. Für letzteren sorgt auch die Musik von Dürbeck & Dohmen, die die Stimmung von der ersten Minute an unbeirrt auf unbeschwerten Vorwärtsgang schaltet. Wenn man nicht gerade Beltracchi-Geschädigter, Kunsthistoriker oder Galerist ist, kann man fast nicht anders, als zum Fan dieser spitzbärtigen, schlitzohrigen coolen Sau zu werden.

Denn der Film funktioniert prächtig mit dem besten aller denkbaren Beltracchi-Darsteller: ihm selbst. Ihm kann man im schnellen TV-Reportage-Stil mal eben einen Kunsthistoriker vorbeischicken, der ihm ein paar Fragen stellt – dank Beltracchis Ego ist das Ergebnis großes…, nun ja, auf jeden Fall: äußerst unterhaltsames Kino, in dem sich die Kabinettstückchen nur so aneinander reihen.

Große, medienwirksame Coups von eigenwilligen Typen sind schon immer ein dankbares Thema für Filmemacher gewesen – ob dokumentarisch oder fiktiv: Während ein Film wie Man on Wire den legendären Drahtseilakt des Hochseil-Künstlers Philippe Petit zwischen den World Trade Center Türmen als spannenden Krimi nachvollzieht, so bietet Die Kunst der Fälschung Taten und Treiben der Beltracchis als verschmitzte Gaunerkomödie dar. Ein anderer deutscher Kunstfälscher, der es vor Wolfgang Beltracchi zu derartiger Medienpräsenz gebracht hat, ist Konrad Kujau. Seiner Geschichte wurde mit der Satire Schtonk ein Kino-Denkmal gesetzt. Beltracchi verwehrt sich bisher gegen eine Spielfilm-Version seiner Geschichte. Aber wer weiß: Der Mann hat Schulden. Zwei Millionen Euro Schadensersatz hat ein geprellter Käufer einer seiner Fälschungen eingeklagt. Beltracchis Immobilien werden deswegen zwangsweise zu Geld gemacht. Der Künstler kann jeden Euro gebrauchen. Doch ehrliche Original-Beltracchis sind lange nicht so gefragt, wie falsche Campendoncks. Vielleicht lässt er sich ja doch noch auf einen Spielfilm-Deal ein. Der Dokumentarfilm-Deal zwischen dem Künstler, seinem Anwalt und dessen Sohn, dem Regisseur, dürfte sich auf jeden Fall zur vollsten Zufriedenheit aller auszahlen. Auch der des Zuschauers.

Beltracchi - Die Kunst der Fälschung

Wolfgang Beltracchi wäre sicher nicht abgeneigt, sich selbst auf der ganz großen Leinwand zu bewundern. Als Protagonist des abendfüllenden Dokumentarfilms „Die Kunst der Fälschung“. Allerdings müsste er dazu wohl eine Nachmittagsvorstellung besuchen, denn abends darf er zur Zeit eher nicht ins Kino. Er muss pünktlich hinter Gefängnismauern einchecken.
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Meinungen

Detlef Kastens · 06.03.2014

Hervorragende Besprechung. Mit sympathischem Augenzwinkern wohltuend unbelastet von Neid und wenig verständlichem Ärger wie die Kritiken, die ich bisher gelesen/gehört habe. Man muss den Egomanen nämlich nicht niedermachen, weil er Egomane ist. Davon gibt's reichlich, aber man muss, wie bei jedem guten Fälscher, schon die erstklassige Technik anerkennen, über die der Mann verfügt und man gewinnt einen Einblick in die Geldgier und Ruhmsucht der am Kunsthandel Beteiligten, der international übrigens Milliardenumsätze erzielt. Der Mann kann (fast) so viel wie die, die er gefälscht hat. Nur eins fehlt ihm und das ist natürlich ganz und gar nicht unerheblich: die Kraft des eigenen schöpferischen Einfalls. Aber auch darunter leiden viele andere. Voilà!