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Ein 13-jähriger geflüchteter Afghane, der in der schwäbischen Provinz in einen christlichen Knabenchor eintritt – das klingt wie die nächste Wohlfühl-Culture-Clash-Komödie. Doch Regisseur und Co-Autor Martin Busker macht einiges anders.

Zoros Solo (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Dissonante Töne, harmonisches Ende

Martin Buskers Langfilmdebüt beginnt mit einem entzweienden Knall und endet mit einer versöhnlichen Kadenz. Um seine Familie zusammenzuführen, schreckt Buskers Protagonist selbst vor Sakrilegen nicht zurück. Er sprengt ein goldenes Kruzifix in die Luft, was zeigt, dass dem Regisseur und Co-Autor nichts und niemand heilig ist.

Sein Protagonist heißt Zoro (Mert Dincer) und steht dem ähnlich klingenden, maskierten Rächer zumindest in puncto Unverfrorenheit in nichts nach. Vorlaut, verletzend und verschmitzt legt sich der 13-jährige Geflüchtete im beschaulichen Liebigheim nahe Stuttgart mit Dorfsheriff Achim (Robert Kuchenbuch), dessen im Knabenchor singenden Sohn Julian (Laurids Schürmann) und Chorleiterin Lehmann (Andrea Sawatzki) an. Zoros Vater Zamir (Hadi Khanjanpour) steckt in Ungarn fest, also gibt der Teenager vor seiner Mutter Masal (Elmira Rafizadeh) und den zwei Schwestern großspurig das Familienoberhaupt. Dass seine Mutter Fahrrad fährt, irritiert ihn ebenso wie der Umstand, dass Achim für Frau und Sohn kocht. Der Rotzlöffel hat noch viel zu lernen …

Auf dem Papier klingt die Geschichte wie ein Erziehungsroman, dessen Hauptfigur sich dank helfender Gutmenschenhände in unsere Gesellschaft integriert. Doch ganz so weichgespült wollen Busker und sein Co-Autor Fabian Hebestreit ihre Tragikomödie nicht erzählen. Konsequent durch Zoros Augen geschildert, ist der Lernprozess stets ein beidseitiger. Als der „Zwergprolet“, wie Frau Lehmann Zoro nennt, erfährt, dass deren Chor an einem Wettbewerb in Ungarn teilnimmt, ist er urplötzlich Feuer und Flamme für die bislang verhöhnte Kirchenmusik. Um seinen Vater wiederzusehen und heimlich nach Deutschland zu schleusen, steigt er bei Lehmanns Knaben ein und der Chorleiterin mit seinem aufsässigen Verhalten aufs Dach.

Busker und Hebestreit machen daraus kein Heldenepos einer weißen Retterin, keinen Wohlfühlfilm gegen das schlechte Gewissen der Wohlstandsgesellschaft. Ihre Figuren sind zunächst einmal grundunsympathisch. Sawatzkis Frau Lehmann ist keine wohlmeinende Altruistin, ganz im Gegenteil. Verbissen und stocksteif jagt die Gesangslehrerin ihren eigenen Träumen hinterher. Die Karriere, die sie nie hatte, sollen ihre Chorknaben an ihrer statt erreichen. Die Befindlichkeiten der Jugendlichen sind ihr egal. Ihr unreflektierter Rassismus, der Asylsuchende schon mal als eine „Horde Buschleute“ tituliert, ist manchmal zu viel des Gut(gemeint)en. Das Konfliktpotenzial der ungleichen Streithähne hätte auch subtiler funktioniert.

Mert Dincers Titelantiheld stellt das Einfühlungsvermögen des Publikums auf eine noch härtere Probe. Sein Vokabular kennt nur „Opfer“ und „Bitches“. Ein präpotenter Mini-Möchtegern-Macho, der die eigene Verletzlichkeit und Unsicherheit unter einer dicken Lederjacke und hinter dunklen Brillengläsern versteckt. So übertrieben derb mancher Schlagabtausch auch daherkommt, dass sich die Verantwortlichen gegen eine allzu heile Welt entschieden haben, ist letztlich das große Glück dieses Films. Ein anderes sind die Hauptdarsteller. Sawatzki beherrscht das Steife, das Unterkühlte ebenso aus dem Effeff, wie Nachwuchstalent Dincer unter all der aufgesetzten Coolness eine warme Seite hervorscheinen lässt.

Das schwäbisch Provinzielle dient dabei lediglich als pittoreske Kulisse. In Besigheim, 25 Kilometer nördlich von Stuttgart gedreht, bildet das fein herausgeputzte Fachwerkensemble der Altstadt einen gelungenen Kontrast zu den Wirren der Flucht. Die bornierten Protestierenden, die sich tagtäglich vor der Asylunterkunft aufpflanzen, könnten genauso gut auf dem platten norddeutschen Land, in der Rhön, im Hunsrück oder im Sauerland leben. Dass sie, angeführt von Christine Prayons Figur, die der Abspann konsequenterweise nur als Wutbürgerin benennt, von den Geflüchteten unter anderem die Einhaltung der Kehrwoche fordern, ist ein augenzwinkernder Seitenhieb – macht aber vor allem deutlich, dass Vorurteile und Ressentiments überall in der bundesdeutschen Wirklichkeit zu finden sind.

Wie die Umgebung, die Kameramann Martin L. Ludwig in warme, lichtdurchflutete Aufnahmen packt, ist letztlich auch die Religion nur ein Platzhalter. Zoros Solo spielt weder den einen Glauben gegen den anderen aus, noch bekehrt er seinen jungen Protagonisten. Buskers manchmal etwas zu durchschaubar geschriebene Tragikomödie zeigt schlicht Menschen unterschiedlichen Glaubens mit all ihren Stärken und Schwächen. Am Ende wird die Lehrerin zur Schülerin und der Chor zu einem gemischten, der sich auch weltlichen Liedern öffnet. Immerhin herrsche in Deutschland Gleichberechtigung, lässt Zoro Frau Lehmann wissen. Da haben beide das Publikum längst für sich eingenommen und einen gemeinsamen Ton gefunden.

Zoros Solo (2019)

Der 13-jährige Zoro ist voller Energie und Einfallsreichtum, wenn es darum geht, Geld zu beschaffen. Auch wenn er es mit dem Gesetz dabei manchmal nicht so ganz genau nimmt. Denn Zoro hat ein Ziel: Er wünscht sich nichts sehnlicher, als seine Familie wieder zu vereinen. Mit Mutter und Schwestern war er von Afghanistan ins schwäbische Liebigheim geflüchtet, sein Vater aber blieb in Ungarn zurück. Als Zoro erfährt, dass der christliche Knabenchor unter Leitung der strengen Frau Lehmann zu einem Gesangswettbewerb nach Ungarn fährt, steht Zoros Entschluss fest: Er wird singen lernen und mitreisen!

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Meinungen

Monika · 06.01.2020

Alle, die schlecht bewerten, haben den Film nicht wirklich gesehen. Bewerten nur anhand des Trailers.

Hugo · 01.11.2019

Der Film ist peinlich schlecht.

Erich Fischer · 08.11.2021

Wieso, er demonstriert mehr realistisch als satirisch die deutsche Schwäche und Politik!

Constantin Müller · 07.10.2019

Toller Film mit Komik und Tiefgang, einer der berührendsten Filme, unbedingt anschauen.