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Karim Aïnouz zeigt auf sensible Weise im Laufe eines Jahres, wie es Geflüchteten auf dem als Notunterkunft genutzten Flughafen Tempelhof in Berlin ergeht.

Zentralflughafen THF (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Vom Wunsch, endlich anzukommen

Der Dokumentarfilm „Zentralflughafen THF“ von Karim Aïnouz beginnt – nach einigen via Voice-over gesprochenen Worten – mit einer touristischen Führung durch das unter Denkmalschutz stehende Gebäude des Berliner Flughafens Tempelhof. Dieser wurde 1923 eröffnet, in der NS-Zeit ausgebaut und damit zu einem Symbol der nationalsozialistischen Selbstinszenierung. Im Jahre 2008 wurde er geschlossen.

Dieser Einstieg, den der Kameramann Juan Sarmiento G. in Totalen erfasst, ist klug gewählt – da wir das Gebäude so auf eine gängige Art und Weise kennenlernen: Wir werden mit Daten und Fakten versorgt, wahren aber einen gewissen Abstand zu diesem seltsam unbelebten Ort. Anschließend weicht diese Distanz jedoch der Empathie und der Nähe, die sich bereits in den anfangs zu hörenden Worten andeutete. Der 18-jährige Syrer Ibrahim stellt sich uns vor; er erzählt – in seiner Sprache – von seinem Heimatdorf, teilt seine Erinnerungen an seine Familie mit uns. Die eindrücklich komponierten Totalen finden sich auch im weiteren Verlauf des Films (ebenso wie diverse Luftaufnahmen); die Distanz und der sachlich-nüchterne Blick haben sich indes aufgelöst – fortan ist jedes Bild mit Leben, mit Emotionen aufgeladen.

Ibrahim zählt zu den mehr als 2000 Geflüchteten, die in einigen als Notunterkunft genutzten Hangars des Flughafens Tempelhof wohnen und darauf warten und hoffen, in Deutschland ankommen zu können. Karim Aïnouz hat seine Protagonisten Ibrahim und Qutaiba – einen irakischen Mediziner, der seine Sprach- und Fachkenntnisse einsetzt, um zu helfen – ein Jahr lang begleitet; die Monate werden eingeblendet, um das Verstreichen der Zeit spürbar zu machen. Wir sehen Ibrahim im Gespräch (und beim Shisha-Rauchen) mit anderen jungen Männern; wir erleben, wie Qutaiba mit einem kleinen Jungen redet, der anschließend medizinisch untersucht wird. Außerdem zeigt Aïnouz die Verwaltungsarbeit mit ihren zahlreichen Hürden und Barrieren sowie die Gebäudeüberwachung, die Herausforderungen in der Kommunikation und das Lernen der deutschen Sprache in Kursen vor Ort.

Hin und wieder widmet sich Zentralflughafen THF auch dem Treiben auf dem Tempelhofer Feld. Dort fahren Leute auf Fahrrädern und Segways, joggen und entspannen. Aïnouz nutzt diesen scharfen Gegensatz jedoch nicht für billige Komik oder für eine plakative Veranschaulichung der Lebensumstände der Geflüchteten, denen in der Unterkunft kaum eine Rückzugsmöglichkeit, kaum Privatsphäre zuteilwird. Vielmehr trägt dieses Nebeneinander von Freizeitgestaltung und dem Warten auf ein Voran-, ein Ankommen zu der leicht surrealen Atmosphäre dieses Schauplatzes bei. Zentralflughafen THF lebt von einer feinfühligen Beobachtung, von stimmigen Bildern und von einem aufrichtigen Interesse an dem titelgebenden Ort sowie den Menschen, die hier stranden.

Zentralflughafen THF (2018)

Die in den sieben Hangars des Flughafens Berlin Tegel lebenden Geflüchteten träumen von einem Neuanfang, einem besseren Leben und einem Alltag in Deutschland, während draußen auf dem Feld mindestens so viele Bewohner der Stadt Berlin tagtäglich versuchen, ihrem Alltag zu entkommen, indem sie sich auf den ehemaligen Start- und Landebahnen auf einen Marathon vorbereiten, die ausgefallensten Fortbewegungsmittel ausprobieren und sich zum Spielen und Grillen mit ihren Freunden verabreden.

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