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Wunden als Tor zu einer Welt jenseits der Vorstellungskraft — eine Gruppe von Teenagern unternimmt gnostische und satanische Rituale und löst damit eine paranormale Kettenreaktion aus.

Wounds (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Und es gibt sie doch, die Netflix-Filme, die an der Croisette zu sehen sind. Allerdings nicht im offiziellen Programm des Filmfestivals von Cannes, sondern in den Neben- und Parallelsektionen wie etwa der Quinzaine des Réalisateurs. Dort ist der neue Film des iranischen Regisseurs Babak Anvari zu sehen, der 2016 mit seinem Debüt Under the Shadow für Aufsehen unter Genre-Liebhabern sorgte. Sein neues Werk Wounds, das auf dem Roman The Visible Filth von Nathan Ballingrud basiert, kann mit Armie Hammer und Dakota Johnson einen prominenten Cast aufweisen und verfügt über viele gute Ideen und Ansätze, die aber nicht konsequent genug zu Ende geführt werden, um wirklich überzeugen zu können.

Hammer spielt den Barkeeper Will, der das College abgebrochen hat und stattdessen in einer Bar in New Orleans jobbt. Selbst dem Alkohol nicht abgeneigt, ist er während seiner Schichten der ruhende Pol, der gerne mal einen ausgibt und der die Gäste schnell davon überzeugen kann, dass es unbedingt noch ein Shot sein darf. Seine Freundin Carrie (Dakota Johnson) studiert englische Literatur und bereitet gerade ihre Abschlussarbeit vor. Wills Leben wird eines Abends gründlich auf den Kopf gestellt, als der Ex-Knacki Eric eine Schlägerei mit einem anderen Kneipenbesucher anzettelt, in deren Verlauf er mit einer abgebrochenen Flasche eine üble Gesichtswunde erleidet. Eine Gruppe junger Leute, die an dem Abend zufällig in der Bar ist, filmt das Ganze mit dem Smartphone, ergreift dann aber die Flucht, als es zunehmend ungemütlich wird — und lässt das Smartphone liegen. Will nimmt das Gerät mit nach Hause und versucht den Besitzer zu ermitteln, doch von da an wird es seltsam. Denn der scheint nicht das geringste Interesse daran zu haben, das Handy wieder zurückzubekommen, sondern er tritt lieber mit Will in einen Nachrichtenaustausch, in dessen Verlauf der Barkeeper einige recht drastische Bilder zugesendet bekommt. Und mit diesen kommt auch etwas sehr Abgründiges und zutiefst Böses in sein Leben.

Wounds ist ein Film voller Holprigkeiten und Unstimmigkeiten, dessen Logiklöcher ungefähr so groß sind wie der Tunnel zur Unterwelt, von dem hier mehrmals die Rede ist. Das Knacken des Sperrbildschirms des Smartphones kann das Drehbuch zwar noch einigermaßen erklären, doch zahlreiche der anderen Prämissen, die der Film aufstellt, sind ebenso verwirrend wie widersprüchlich und ergeben das Gesamtbild einer zusammengeschusterten Story, die sich munter bei Vorbildern vor allem aus Japan bedient, ohne daraus eine runde, nachvollziehbare und vor allem fesselnde Geschichte zu formen.

Bei den jump scares verlässt sich Anvari mehr auf die Ton- als auf die Bildebene und traktiert das Publikum mit teilweise ohrenbetäubendem Lärm, der aber nicht übertönen kann, dass vor allem Armie Hammer eine teilweise grottenschlechte schauspielerische „Leistung“ abliefert, die man ihm in diesem negativen Ausmaß nicht zugetraut hätte. Dakota Johnson, seit dem Suspiria-Remake durchaus auch eine gute Wahl in Filmen mit Horrorgehalt (wenn man mal vom realen Horrorgehalt von Fifty Shades of Grey absieht), ist ebenfalls sichtlich überfordert, und an einer Stelle gar unfreiwillig komisch, als Will sie leichenblass und mit dicken Rändern unter den Augen vor dem Laptop vorfindet. Sie wirkt hier eher wie eine Werbefigur in einem Spot, der vor zu ausgiebigen Sitzungen vor dem Computer warnt.

Erst am Ende in der finalen Szene, bei der man der Geburt eines Dämons beiwohnt, bekommen die Bilder eine Kraft, die vorher immer nur versprochen, aber nie eingelöst wurde. Es bleibt zu hoffen, dass Babak Anvari bei seinem nächsten Film wieder zu seiner alten Form zurückfindet.

Wounds (2019)

Als ein Barkeeper in New Orleans an ein Telefon geht, das bei ihm in der Bar vergessen wurde, häufen sich plötzlich merkwürdige und beängstigende Vorfälle in seinem Leben.

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Meinungen

Baumkopf Holzfaust · 21.01.2020

Es ist bedauerlich, dass dem Kritiker hier die Prämisse des Films völlig entgangen ist, obwohl er sie benannt hat. Es geht hier nicht um irgend eine Geburt eines Monsters oder sonst irgend einen mystischen Hokuspokus. Bei "Wounds" geht es einzig und alleine die Darstellung der Folgen von exzessivem Alkoholkonsum, nicht mehr und nicht weniger. Die charakterlichen Abstürze, die Horror-Hallus, die Gewalt-Exzesse und die sexuelle Gier sind ganz normale Folgen von Alkoholmissbrauch. Aus dieser Perspektive betrachtet ist "Wounds" ein Meisterwerk.

Nebensache · 09.09.2020

finde ich genauso, man sieht ihn auch ständig harte Sachen trinken.
Wirkt als hätten die Kritiker die Kunst dahinter nicht verstanden, sondern als BlockbusterHorrorfilm verstanden.
Dakota Johnson allerdings ist wirklich nur beim Komisch spielen talentiert