Woodstock in Timbuktu – Die Kunst des Widerstands

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Gitarre statt Kalaschnikow

„Ich will nicht alles schwarz malen, aber in der Zukunft wird auch nicht alles rosa sein“, prognostiziert der Sicherheitschef des Festival au Désert im Jahre 2011 die künftige Lage der Tuareg in Mali. Zwei Jahre später ist seine Voraussage zur bitteren Wahrheit geworden. Sehen wir heute einen Dokumentarfilm über Malis wohl berühmteste Stadt Timbuktu, denken wir nicht mehr in erster Linie an die reiche Kultur, die früher herausragende wirtschaftliche Stellung der Stadt, ihre Bibliothek voller wertvoller Schriften oder an historische Bauwerke im Angesicht der erhabenen Wüstenlandschaft. Vielmehr haben sich die Bilder von vermummten Männern in den Nachrichten und den Köpfen festgesetzt, von bis an die Zähne bewaffneten Kämpfern, Dschihadisten, Vertretern eines radikal ausgelegten Islams.
Selbst wenn wir einen Dokumentarfilm über ein Musikfestival sehen, schwingen diese bedrohlichen Bilder in Gedanken unaufhörlich mit und beeinflussen unsere Wahrnehmung. Dabei versucht das Festival au Désert eigentlich, eine ganz andere Botschaft zu transportieren. Woodstock in Timbuktu — Die Kunst des Widerstands heißt der Dokumentarfilm, der sich mit dem jährlich an der Grenze zwischen Stadt und Wüste ausgetragenen Musikfest auseinandersetzt. Hier spielen beliebte Bands der Tuareg, aus Mauretanien, Niger, dem Senegal und anderen Anrainerstaaten, Familien nutzen das Ereignis als Treffpunkt, Kamelrennen unterhalten das Publikum und alle vergessen für einige Tage den schwierigen Alltag, dem das Nomadenvolk in der Wüste ausgesetzt ist.

Denn die Probleme sind vielfältig. Die Tuareg oder Kel Tamasheq, wie sie sich selbst bezeichnen, haben mit Wassermangel zu kämpfen, es fehlt an Schulen und Krankenhäusern, und dann ist da eben auch noch die Religionsfrage. Salafisten versuchen seit Jahren, die Kel Tamasheq für ihre extrem konservativen Glaubensüberzeugungen zu gewinnen, und so entsteht in der westlichen Öffentlichkeit zunehmend der Eindruck, das Nomadenvolk sei gleichbedeutend mit radikalen Islamisten, ja sogar mit al-Quaida-Sympathisanten. Dass die Tuareg ihre Wurzeln jedoch in sehr liberalen Glaubensvorstellungen begründet sehen, symbolisiert vor allem das Festival au Désert. „Er nahm statt einer Kalaschnikow die Gitarre in die Hand“, kündigt der Moderator einen Sänger vor hunderten applaudierenden Besuchern an, und nimmt auf diese Weise gleich zu Beginn des Films die Prämisse der Veranstaltung vorweg.

Es ist eine schwierige Aufgabe, die das Festival sich in dieser klimatisch, politisch und gesellschaftlich feindlichen Umgebung gesetzt hat. Ähnlich ambitioniert geht auch Woodstock in Timbuktu an seinen Gegenstand heran und täte manches Mal gut daran, ein wenig lockerzulassen. Regisseurin Désirée von Trotha interviewt Musiker und Organisatoren, zeigt Auftritte der verschiedenen Bands, Aufnahmen von Festivalbesuchern, von Dokumenten aus der Bibliothek von Timbuktu, macht Frauenrechte und religiöse Auseinandersetzungen zu ihrem Thema. Genau wie das Land Mali selbst unter dem vielfachen Druck von allen Seiten zusammenzubrechen droht, droht auch der Zuschauer irgendwann den Überblick zu verlieren. Zwar unterteilt von Trotha ihren Film, angelehnt an die verschiedenen Tage des Festivals, in lose Kapitel, einer gewissen Redundanz kann sie sich damit jedoch nicht erwehren.

Bei aller Faszination für die ganz besondere Stimmung auf dem Festival au Désert, seine mitreißende Musik und die ihm innewohnende transkulturelle Kraft will Woodstock in Timbuktu also ganz eindeutig mehr sein als ein gewöhnlicher Festivalfilm. Er nimmt das musikalische Ereignis viel eher als Ausgangspunkt, um die Kel Tamasheq zu portraitieren, das Ganze möglichst umfassend und natürlich ethnologisch korrekt. Wer sich auf diese Herangehensweise einlassen kann und auch vor ermüdenden Längen nicht zurückschreckt, wird in Woodstock in Timbuktu ein überaus interessantes Zeitdokument vorfinden. Wer den Film allerdings primär wegen der Musik auf seiner Watchlist hat, dem sei an dieser Stelle eher der Soundtrack ans Herz gelegt.

Woodstock in Timbuktu – Die Kunst des Widerstands

„Ich will nicht alles schwarz malen, aber in der Zukunft wird auch nicht alles rosa sein“, prognostiziert der Sicherheitschef des „Festival au Désert“ im Jahre 2011 die künftige Lage der Tuareg in Mali. Zwei Jahre später ist seine Voraussage zur bitteren Wahrheit geworden. Sehen wir heute einen Dokumentarfilm über Malis wohl berühmteste Stadt Timbuktu, denken wir nicht mehr in erster Linie an die reiche Kultur, die früher herausragende wirtschaftliche Stellung der Stadt, ihre Bibliothek voller wertvoller Schriften oder an historische Bauwerke im Angesicht der erhabenen Wüstenlandschaft.
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