Woodlawn - Liebet eure Feinde

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Pathetische Erbauungspoetik auf dem Football-Feld

Birmingham, Alabama in den frühen 1970er Jahren: Die so bezeichnete Rassentrennung ist zwar offiziell aufgehoben, freie Wahlen für alle US-amerikanischen Bürger wurden gesetzlich garantiert, Dr. Martin Luther King bereits ermordet, und es tosen im Sweet land of liberty gewaltige soziopolitische Unruhen zwischen Menschen hellerer und dunklerer Hautausprägung. Birmingham gilt als Hochburg der faktisch noch stark ausgeprägten Segregation in den USA, auch wenn an der örtlichen Woodlawn High School schon einige people of colour aufgenommen wurden. Einer von ihnen ist Tony Nathan (Caleb Castille), ein recht schüchterner, famoser Football-Spieler, dessen jugendliche Lebensgeschichte im Fokus dieses Spielfilms der Brüder Erwin von 2015 steht, der auf die gleichnamige tatsächliche Person des einstigen Sportprofis und heutigen Football-Coaches referiert.
Als der Mathematiklehrer und Football-Trainer Tandy Gerelds (Nic Bishop) seine Arbeit an der Woodlawn High School in Birmingham aufnimmt, trifft er zwar auf eine recht gut ausgestattete und potenzialträchtige Mannschaft, aber ebenso auf eine alltägliche Atmosphäre der ethnischen Ressentiments gegen die farbigen Schüler, von der auch der Sport nicht verschont bleibt. Dies nimmt mit einiger Besorgnis und starkem Sendungsbewusstsein auch der Sportseelsorger Hank Erwin (Sean Astin) wahr, einst selbst ein aussichtsreiches Talent, nun mit einer Behinderung am Bein ganz dem christlichen Glauben und seiner Verbreitung verschrieben. Als dieser feurige Missionar nun nach einer Möglichkeit sucht, beim häufig zerzwisteten Football-Team anzudocken, ist Coach Gerelds zunächst gar nicht bereit, seine Jungs einer religiösen Predigt auszusetzen. Doch die Unruhen eskalieren und der Druck auf das Integrationsprojekt wächst, so dass Gottesmann Hank Erwin schließlich doch noch die Genehmigung erhält, ein paar Minuten zur Mannschaft zu sprechen. Mit einem erstaunlichen Effekt, denn die Empfänglichkeit einiger junger Männer dafür – darunter auch Tony Nathan – ist enorm, so dass bald eine erbauliche Christianisierung um sich greift, der sich der widerständige Coach dann auch nicht mehr verschließen kann …

In seiner inhaltlichen wie dramaturgischen Gestaltung präsentiert sich Woodlawn – Liebet eure Feinde als hybride Konstruktion zwischen persönlicher Geschichte und historischen Hintergründen, zwischen Sport-Drama und Läuterungsepos. Diese Kombination, durchzogen und dominiert von den anwachsend präsenten religiösen Motiven, weist jedoch überwiegend vage mal hier, mal dort eine Sequenz der unterschiedlichen Handlungsstränge auf, die zuvorderst um die Hauptprotagonisten Tony Nathan, Coach Gerelds und Seelsorger Hank Erwin kreisen. Dabei wirken die ausgewählten Ausschnitte aus ihrer Entwicklung allzu forciert, um sich gefällig in das Grundthema der ‚Kraft/Erfolg-durch-Glauben‘-Mentalität einzugliedern. Eine wünschenswerte Lebendigkeit und Mehrdimensionalität der Charaktere fällt diesem offensichtlichen Planungsprinzip in diesem Zuge regelmäßig zum Opfer, so dass sich auch ausführlich und eloquent arrangierte Dialoge bald in banalisierte Phrasen verwandeln. Darunter leidet auch das darstellerische Spektrum der Schauspieler, die auf diese Weise auf eine stark eingeschränkte Ausdrucksmodalität festgeschrieben sind.

Die US-amerikanischen Regisseure Andrew und Jon Erwin, die sich explizit als christliche Filmschaffende ausweisen, haben diese Ausrichtung auch bei Woodlawn – Liebet eure Feinde zum bestimmenden Paradigma erhoben, wie der deutsche Zusatztitel bereits als Slogan der Botschaft des Films transportiert. Die eingangs teilweise dokumentarische Hinführung vom Historischen in die fiktive Gegenwart des Dramas stellt zwar zunächst die gesellschaftlichen Bezüge her, beschränkt diese aber bald wiederum auf den Fokus der christlichen Heilslehre, die mit populärem, mitunter allzu in den Kontext gezwungenem Bibelwissen allerdings eher Plattitüden als starke Sprachsymbole produziert. So erscheint diese biographisch begründete Filmerzählung über den immens wichtigen und brisanten Themenbereich von damaligem wie aktuellem Rassismus eher als plakative Propaganda und pathetische Erbauungspoetik denn als wahrhaft berührende, substanzielle sozialpolitische Coming-of-Age-Geschichte, deren Potenzial hier großzügig verschenkt wurde.

Woodlawn - Liebet eure Feinde

Birmingham, Alabama in den frühen 1970er Jahren: Die so bezeichnete Rassentrennung ist zwar offiziell aufgehoben, freie Wahlen für alle US-amerikanischen Bürger wurden gesetzlich garantiert, Dr. Martin Luther King bereits ermordet, und es tosen im „Sweet land of liberty“ gewaltige soziopolitische Unruhen zwischen Menschen hellerer und dunklerer Hautausprägung. Birmingham gilt als Hochburg der faktisch noch stark ausgeprägten Segregation in den USA, auch wenn an der örtlichen Woodlawn High School schon einige people of colour aufgenommen wurden.
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