Womb

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Wie der Vater so der Sohn

Der Traum ist so alt wie die Menschheit: einen geliebten Menschen wieder auferstehen zu lassen, der aus dem Leben gerissen wurde. Zum ersten Mal könnte der Wunsch jedoch Realität werden — Klonen und Reproduktionsmedizin machen große Fortschritte. Welche Geister da gerufen werden, führt der kluge, ästhetisch beeindruckende Spielfilm Womb des Ungarn Benedek Fliegauf vor Augen.
In einer wildromantisch aufgeladenen Meerlandschaft, gedreht bei St. Peter-Ording und auf Sylt, erzählt Womb die märchenhaft anmutende Geschichte von der bedingungslosen Liebe. Rebecca (Eva Green) lernt Thomas (Matt Smith) schon als zwölfjähriges Mädchen kennen, als sie die Ferien bei ihrem Großvater am Meer verbringt. Jahre später kehrt sie als junge Frau zurück. Und die beiden machen wie selbstverständlich da weiter, wo sie als Pubertierende aufgehört haben. Aber das Schicksal gönnt ihnen nur wenige glückliche Tage. Tommy stirbt bei einem Autounfall. Da beschließt Rebecca, eine Eizelle mit der DNA des Verstorbenen auszutragen und einen Tommy zu gebären, der genetisch ein Klon seines Vaters ist.

Natürlich ist das Zukunftsmusik und vom Inhalt her müsste man den Film als Science-Fiction-Drama bezeichnen. Er spielt in einer nicht näher definierten Zukunft, in der das Klonen technisch so perfektioniert ist wie heute etwa die plastische Chirurgie, aber moralisch höchst umstritten. „Replis“, also Replikanten, werden gemobbt und behandelt wie Menschen zweiter Klasse. Neben Befürwortern der Klon-Technik gibt es Menschen, die massive Vorbehalte gegen den Eingriff in das Leben haben — und gegen die Degradierung von einzigartigen Individuen zur Massenware.

Mit seinen Küsten-Schauplätzen und der zeitlosen Ausstattung spielt Womb jedoch keineswegs in einem Science-Fiction-Setting. Das ist leicht nachvollziehbar, hat sich das Klonen doch in der Gegenwart schon so weit entwickelt (bei Tieren), dass die Übertragung der Technik auf den Menschen vor allem eine Frage der Moral ist, weniger der Machbarkeit. Zudem trägt es erheblich zu dem Reiz des Films bei, dass er so zweigeteilt ist: hier der ruhige Fluss betörend schöner Bilder, aufgenommen in einer unberührten, kraftvollen Natur, in der der Mensch den Elementen von Wasser und Sturm trotzt. Dort eine Handlung, die sich mit extrem künstlichen Manipulationen und ihren eklatant verwirrenden Folgen beschäftigt, die die ethischen Grundsätze von Jahrtausenden auf den Kopf stellen.

Wen zieht Rebecca da groß, ihren Sohn oder ihren Mann? Was wird sie tun, wenn der Klon-Thomas das Alter erreicht, in dem sein Vater starb? Wer ist dieser Mensch, dem die natürliche Eigenschaft verweigert wurde, einzigartig zu sein. Ist er er selbst oder ist er jemand, der schon einmal gelebt hat? Alle diese Fragen wirft Regisseur (und Drehbuchautor) Benedek Fliegauf auf. Und zugleich lässt er sich auf die Sichtweise der Protagonistin ein, die instinktgesteuert ihrem Gefühl folgt. Trotz aller Nöte, in die sie ihren Sohn stürzt, geht Rebecca ihren Weg, konsequent und heroisch wie eine griechische Tragödin.

Im antiken Mythos liebt Orpheus Eurydike so sehr, dass er die Götter der Unterwelt überzeugen kann, sie wieder herzugeben. Trotzdem endet die Geschichte traurig. Anders verhält es sich bei der Liebe zwischen Rebecca und Thomas. Das setzt Irritationen und Fragen frei, die der Film nicht beantwortet. Sehr zu seinem Vorteil.

Womb

Der Traum ist so alt wie die Menschheit: einen geliebten Menschen wieder auferstehen zu lassen, der aus dem Leben gerissen wurde. Zum ersten Mal könnte der Wunsch jedoch Realität werden — Klonen und Reproduktionsmedizin machen große Fortschritte. Welche Geister da gerufen werden, führt der kluge, ästhetisch beeindruckende Spielfilm „Womb“ des Ungarn Benedek Fliegauf vor Augen.
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