Wo willst du hin, Habibi?

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

"Man kann sich nicht aussuchen, wen man liebt …"

Wo willst du hin, Habibi? – diese Frage, die zugleich der Titel des Werks von Tor Iben ist, wird dem Protagonisten gegen Ende der Geschichte gestellt. Zu Beginn wäre dessen Antwort völlig klar gewesen. Da hat der türkischstämmige Ibrahim (Cem Alkan), genannt ‚Ibo‘, gerade äußerst erfolgreich sein Bachelor-Studium im Bereich Immobilienmanagement abgeschlossen und ist überzeugt: „Ich bin Berliner!“ Er will in der deutschen Hauptstadt, in der er aufgewachsen ist, weiterhin leben und arbeiten. Doch rasch stellt sich Frustration ein; trotz hervorragender Abschlussnoten erhält Ibo eine Absage nach der anderen. Um Geld zu verdienen, jobbt er in einem Pornokino an der Kasse.
Auch im Privaten weiß der junge Mann bald nicht mehr, ‚wo er hin will‘. Dass er schwul ist, hat Ibo längst erkannt; im Gegensatz zu Tor Ibens Langfilmdebüt Cibrâil (2011) wird hier nicht von einer sexuellen Identitätskrise erzählt. Vielmehr geht es um Behauptung, insbesondere im konservativen Familienkreis, und um die Suche nach dem persönlichen Glück, die – wie wir sicher alle wissen – nicht immer geradlinig verläuft. Nachdem der Schwede Lars (Anton Korppi-Tommola), mit dem Ibo eine lockere Beziehung führte, in sein Heimatland zurückgekehrt ist, begegnet Ibo dem kleinkriminellen Show-Wrestler Alexander (Martin Walde), genannt ‚Ali‘. Als dieser mit zwei gebrochenen Armen im Krankenhaus landet, kümmert sich Ibo um ihn – auch deshalb, weil er sich in Alexander verliebt hat. Alexander definiert sich allerdings als heterosexuell – und steckt wegen seiner gesetzwidrigen Taten in Schwierigkeiten.

In vieler Hinsicht ist Wo willst du hin, Habibi? ein bemerkenswerter Film. So etwa in der ungewöhnlichen Wahl seiner love-interest-Figur. In einem konventionelleren Werk würde ein Typ wie Alexander wohl nur als plumpe Randfigur auftauchen. Alexander macht es dem Publikum nicht gerade leicht, ihn zu mögen – da er zunächst extrem unreflektiert erscheint und sowohl Ibos Freundlichkeit als auch dessen Naivität hemmungslos ausnutzt. Will er zur Abwechslung mal nett sein, hat dies eher fragwürdige Komplimente zur Folge („Ich mag Menschen mit dummen Gesichtern!“). Gleichwohl gelingt es der Inszenierung und, nicht zuletzt, dem Schauspieler Martin Walde, diesem tendenziell klobigen Kerl etwas erstaunlich Liebenswertes zu verleihen: durch kleine Brüche in der Macho-Attitüde und eine charakterliche Entwicklung, die zum stärksten Moment des Films führt – wenn Alexander sich einer Liebesgeste bewusst wird, die er weder erwartet hat, noch gänzlich begreifen kann.

Darüber hinaus verfügt die Tragikomödie über einen sympathischen Helden, der mit Aplomb dafür kämpft, sein Leben so zu leben, wie er es möchte. Der Konflikt mit Ibos Familie wird zwar allzu schematisch gestaltet – die Rolle der Schwester (Rana Farahani) beschränkt sich darauf, Ibos sexuelle Orientierung auf denkbar intrigante Weise zu ‚enthüllen‘, und die Reaktion des Vaters (Tuncay Gary) wirkt überspitzt –, dennoch überzeugt das Drehbuch (welches Tor Iben in Zusammenarbeit mit Kristina Spitzley, Samir Moussa und Niklas Peters verfasst hat) dank der erfreulichen Selbstsicherheit des Protagonisten. Mit Ibos Onkel Mehmet (Neil Malik Abdullah) und seiner Tante Ayfer (Özay Fecht) werden zudem zwei Figuren präsentiert, die eine ganz andere Einstellung haben als Ibos Kernfamilie. Einige Ansätze der Handlung – etwa Ibos berufliche Situation – hätten noch einer Vertiefung bedurft; alles in allem ist Wo willst du hin, Habibi? aber ein lohnender Beitrag zum Queer Cinema – und ein Film, der zeigt, dass Liebe a many-splendoured thing ist, ohne dabei kitschig zu werden.

Wo willst du hin, Habibi?

„Wo willst du hin, Habibi?“ – diese Frage, die zugleich der Titel des Werks von Tor Iben ist, wird dem Protagonisten gegen Ende der Geschichte gestellt. Zu Beginn wäre dessen Antwort völlig klar gewesen. Da hat der türkischstämmige Ibrahim (Cem Alkan), genannt ‚Ibo‘, gerade äußerst erfolgreich sein Bachelor-Studium im Bereich Immobilienmanagement abgeschlossen und ist überzeugt: „Ich bin Berliner!“
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Meinungen

Gisela M. Gulu · 19.03.2016

Ein absolut sympatischer Film. Er zeigt auf unprätentiöse Art, wie deutsch-türkisches Zusammenleben geht. Besonders KLASSE finde ich, dass der Kleinkriminelle dieses Mal eben nicht der "Türke" ist. Auch toll, wie Tor Iben zeigt, dass Schwulsein NORMAL ist. Danke an ALLE, die diesen Film gemacht haben, der absolut in unsere Zeit passt. MAN MUSS IHN LIEBEN!!!

Christian Dähmlow · 09.03.2016

Einer der schönsten deutschen Film aller Zeiten!!! Gestern bei der Premiere gewesen . War schon öfter mal im Xanon in Berlin zum Mongay . Aber dieser Film hat mir ein lachenden und ein weinendes Auge bereitet und hat mir den glauben an die Liebe wieder gegeben Top Leistung kommt in meine Lieblingsfilmliste

andreas Jendrusch · 08.03.2016

kitschig und laaangatmig

oliver rendel · 08.03.2016

naja , das ganze Machwerk kommt ziemlich verkrampft daher. Martin Walde geht gar nicht und von Chems Familie ist im Grunde nur Neil Malik Abdullah anschaubar . Der Rest ist deutschlangweilig , dröge und alles sehr gewollt.