Wir schaffen das schon

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Allein unter "Irren"

Ende der 1970er Jahre unternahm die italienische Regierung einen radikalen Schritt, der weit über alles hinausging, was damals in den Nach68er-Jahren in Sachen Psychiatriereform üblich war. Mittels des berühmt gewordenen „Gesetzes 180“ („Legge centottanta“ oder auch nach ihrem Initiator „Legge Basaglia“ genannt) wurden sämtliche psychiatrischen Anstalten („manicomi“) des Landes auf einen Schlag aufgelöst und die Patienten in offene Einrichtungen gebracht, wo sie den Weg zurück in ein mehr oder weniger normales Leben erlernen sollten. Sofern möglich kehrten die Patienten zu ihren Familien zurück, andere wurden in eilig eingerichteten Wohngemeinschaften untergebracht.
Von einer solchen Wohngemeinschaft erzählt Guilio Manfredonia in seinem Film Wir schaffen das schon / Si può fare. Die ist zwar durch die Reform Franco Basaglias befreit worden, doch weil die Konzepte fehlen, wird die Gruppe wie zuvor in den geschlossenen Anstalten einfach von einem Arzt medikamentös sediert und verrichtet die stumpfsinnige Arbeit des Frankierens von Briefen. Erst als der impulsive Gewerkschaftler Nello (Claudio Bisio) durch eine Weisung von oben dazu verdonnert wird, sich um die Gruppe zu kümmern, gelingt ein wirklicher Fortschritt. Denn Nello weiß um die segensreichen Auswirkungen einer erfüllten Arbeit und fasst deshalb den Entschluss, den WG-Bewohnern „etwas Vernünftiges“ beizubringen. In diesem Fall geht es um das Verlegen von Parkettfußböden. Man ahnt natürlich schnell, dass das Unternehmen, das sich anfangs etwas schwierig gestaltet, es mit der Zeit zu einigem Erfolg bringen wird. Und mit dem Erfolg können langsam auch die Medikamente spürbar reduziert und damit auch die Lebensqualität gesteigert werden. Nello allerdings droht vor lauter Geschäftigkeit aus den Augen zu verlieren, um was es ihm ursprünglich ging – den Menschen zu helfen, ein menschenwürdigeres Leben zu führen. Und das bleibt nicht ohne Folgen…

Es ist vor allem dem engagierten Spiel der Darsteller zu verdanken, dass Giulio Manfredonias Film, der in Italien die Massen ins Kino lockte, über die gesamte Länge die Balance zwischen Komik und Ernsthaftigkeit zu halten vermag. Niemals hat man das Gefühl, dass hier psychische Defekte heruntergespielt, beschönigt oder ausgenutzt werden, wie man dies gerade in letzter Zeit häufiger im Kino beobachten kann.

Leider neigt Wir schaffen das schon mit zunehmender Laufzeit ein wenig zur Behäbigkeit, die dem Film nicht immer zugute kommt. Man hätte die Geschichte ohne viele Abstriche auch auf 90 Minuten kürzen können, manche dann doch deutlich spürbaren Längen wären nicht so sehr ins Gewicht gefallen. Gut möglich, dass der Regisseur von seinem durch die Bank gut aufgelegten Schauspielerensemble so fasziniert war, dass er darüber die kleinen Hängepartien der Handlung übersah. Auch besteht von Anfang an wenig Zweifel darüber, in welche Richtung sich das ganze entfalten wird, was aber dem Unterhaltungswert nicht schadet.

Mit Sicherheit kein großes Meisterwerk, aber unterm Strich bleibt Wir schaffen das schon ein sympathischer Film mit einer klaren Aufforderung zu mehr Toleranz gegenüber psychisch Kranken.

Wir schaffen das schon

Ende der 1970er Jahre unternahm die italienische Regierung einen radikalen Schritt, der weit über alles hinausging, was damals in den Nach68er-Jahren in Sachen Psychiatriereform üblich war.
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