Wilbur Wants to Kill Himself

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Am Abgrund

„Suicide is painless, it brings on many changes“, sang John Mandel 1970 im Vorspann von Robert Altmans brilliantem Film M.A.S.H.. Ob Wilbur (Jamie Sives) den Song kennt oder gar inspiriert von ihm ist, steht hier nicht zur Debatte. Fest steht allerdings, dass Wilbur unbedingt sterben will. So jagt ein (vergeblicher) Suizidversuch den nächsten. Manch einer könnte sogar erfolgreich sein, wäre da nicht Wilburs Bruder Harbour (Adrian Rawlins) , der immer wieder rettend einschreitet, wenn Wilbur mal wieder den Gashahn aufgedreht oder sich aufgehängt hat. Doch diese Vorliebe für Selbsttötungsversuche ist nicht die einzige markante Charaktereigenschaft Wilburs. Zunächst einmal ist Wilbur schlicht asozial. Selbst aus der Selbsthilfegruppe für Suizidgefährdete hat man ihn rausgeschmissen, aus seiner Wohnung sowieso, und in seinem Job als Kindergärtner behandelt er seine Schützlinge wie den letzten Dreck – und sie lieben ihn dafür. Auch auf Frauen übt er eine fatale Wirkung aus, der sich kaum ein weibliches Wesen entziehen kann, sei es seine Therapeutin Moira (Julia Davis) oder auch Alice (Shirley Henderson), die eines Tages in dem heruntergekommenen antiquarischem Buchladen, den Wilbur und Harbour gemeinsam geerbt haben, auftaucht. Doch zunächst fühlt sich die allein stehende Mutter zu Harbour hingezogen und bald schon läuten die Hochzeitsglocken. Während der Hochzeitsfeier demonstriert Wilbur bestes Benehmen, nur um sich dann in der Badewanne (mal wieder) die Pulsadern aufzuschneiden. Wieder wird er durch Harbour gerettet, der eine Hochzeitsnacht erleben muss, die dieser sich sicherlich vollkommen anders vorgestellt hatte.
Der Wendepunkt von Wilbur Wants to Kill Himself ist die Erkrankung Harbours. Bei dem gutmütigen Kerl, der immer nur das Beste für die Anderen will, wird Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Auch wenn Harbour es zunächst nicht wahrhaben möchte, seine Tage sind gezählt. Doch durch seine schwere Krankheit erreicht er schließlich genau das, was er immer wollte.

Die Regisseurin Lone Scherfig, die wie so viele dänische Filmemacher aus dem Dunstkreis der Dogma-Bewegung kommt, inszenierte mit Wilbur Wants to Kill Himself einen Film, der sich nur sehr schwer kategorisieren lässt: Mal Komödie, mal Melodram, mal Tragödie bleibt dem Zuschauer des Öfteren das Lachen im Halse stecken. Die Geschichte um den erlöserähnlichen Harbour ist bevölkert von skurrilen und skurrilsten Charakteren, wie dem depressiven Psychiater Horst (Mads Mikkelsen), die über ihre Andersartigkeit ernste Themen wie Armut, Krankheit oder soziale Isolation thematisieren. Und genau hier kann man auch die einzige wirkliche Schwäche des Films feststellen: zuweilen ist er einfach etwas zu flapsig, zu locker im Umgang mit den Schwierigkeiten und Herausforderungen seiner Protagonisten und verfällt so fast schon in Belanglosigkeit. Trotzdem macht Wilbur Wants to Kill Himself schlicht Spaß, was hauptsächlich an Adrian Rawlins, Jamie Sives und Shirley Henderson liegt, zwischen denen offensichtlich die Chemie beim Dreh stimmte. Mit sichtlichem Vergnügen und Schwung hauchen sie einem Pantheon seltsamer menschlicher Kreaturen Leben ein.

Wilbur Wants to Kill Himself

Eigentlich steht Wilbur (Jamie Sives) ja mitten im Leben, doch der Mann Anfang Dreißig aus Glasgow ist eigentlich eine Leiche auf Urlaub – so zumindest seine Selbstwahrnehmung.
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