Wie in der Hölle

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Abgründe einer Familie

„Die Hölle, das sind die anderen“, stellte Jean-Paul Sartre in seinem Stück Huis-clos / Geschlossene Gesellschaft fest. Im Fall der drei Schwestern Sophie (Emmanuelle Béart), Anne (Marie Gillain) und Céline (Karin Viard) ist die Hölle weniger die Umwelt, als das traumatisierende Geheimnis, das die Familie in sich trägt.
Sophie ist die Älteste der drei Schwestern und auf den ersten Blick hat sie ihr privates Glück gefunden: Sie ist mit dem Fotografen Pierre (Jaques Gamblin) verheiratet und eigentlich recht zufrieden, bis sie eines Tages der Verdacht beschleicht, ihr Mann könne sie betrügen. Wie eine Krankheit befällt das Misstrauen ihre Seele, und sie ruht nicht eher, bis sie es mit eigenen Augen gesehen hat, was sie schon längst weiß. Anne ist die jüngste und studiert an der Sorbonne Architektur. Sie ist unsterblich verliebt in Frédéric, einen Professor, mit dessen Tochter sie eine Freundschaft verbindet. Als Anne und Frédéric eine Affäre miteinander beginnen, plagen beide schnell Schuldgefühle, zumal Anne schwanger wird. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich schließlich an Frédérics Familie. Céline schließlich ist die einzige der Schwestern, die sich um die an den Rollstuhl gefesselte Mutter (Carole Bouquet) kümmert, die in einem Altersheim lebt und dem Leben abweisend und feindselig gegenüber steht. Doch so sehr sich Céline auch bemüht, sie kann kaum etwas bewirken bei ihrer Mutter. Eines Tages wird sie von einem hartnäckigen jungen Mann auf der Straße angesprochen, der etwas von ihr zu wollen scheint. Als schließlich herauskommt, was das ist, hat dies erneut erhebliche Auswirkungen auf die seltsame Familienkonstellation der drei Schwestern und ihrer Mutter, die ein düsteres Geheimnis aneinander gekettet hat. Nach und nach enthüllt sich die ganze Tragweite der Verletzung und Entfremdung…

Wie in der Hölle / L’Enfer basiert auf einem Skript, das Krzysztof Kieslowski kurz vor seinem Tod gemeinsam mit seinem Autoren Krzysztof Piesiewicz als Bestandteil einer Trilogie namens „Heaven – Hell – Purgatory“ entwickelt hat. Der erste Teil der Trilogie Heaven wurde bereits von Tom Tykwer verfilmt, nun hat sich Danis Tanovic des zweiten Teils angenommen. Ursprünglich hatte Tanovic geplant, den dritten Teil zu verfilmen, da ihm das Thema eines Kriegsfotografen näher an seinem Film No Man’s Land zu sein schien, doch beim zweiten Lesen nahm in die Geschichte um das Trauma einer Familie regelrecht gefangen und ließ ihn nicht mehr los. Wie stets bei Kieslowski, so geht es auch hier um Schuld und Sühne, Vergehen und Vergebung, Rache und Wiedergutmachung. Dass der Film trotzdem nicht allzu sehr ins Parabelhafte abgleitet, liegt vor allem an Tanovics behutsamer und leiser Regie und an drei wunderbaren Hauptdarstellerinnen, die dank ihres berückenden Spiels weitaus mehr sind als nur Figuren innerhalb eines Gleichnisses. Einzig Carole Bouquet wirkt wie ein Fremdkörper, der sich nicht so recht in das geschlossene Bild des Filmes einfügen mag.

Ein Film, der zum Nachdenken anregt und der durch seine stille, aber eindringliche Art berührt…

Wie in der Hölle

„Die Hölle, das sind die anderen“, stellte Jean-Paul Sartre in seinem Stück Huis-clos / Geschlossene Gesellschaft fest.
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