When a Stranger Calls (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Martin Beck

Das Grauen kommt um 10

„Haben Sie schon nach den Kindern gesehen?“ Na zum Glück nicht, sonst wäre nämlich die Horrorfilm-Geschichte um eine ihrer besten Suspense-Sequenzen ärmer. Babysitterin Jill (Carol Kane) wird eines Abends von einem Anrufer terrorisiert, der ihr unter anderem die eingangs erwähnte Frage stellt. Als sie die Polizei bittet, zurückzuverfolgen, wo der Anrufer herkommt, stellt sich heraus, dass er sich in ihrem Haus aufhält. Jill läuft nach oben zu den Kindern, doch die wurden bereits ermordet.
Ungefähr 20 Minuten dauert diese Eröffnung des Films, 20 Minuten, die als Musterbeispiel für Terror und sich langsam steigernde Spannung gelten dürfen. Eigentlich war When a Stranger Calls nur ein Kurzfilm, eben über diese ersten 20 Minuten, doch nach dem Erfolg von Halloween, der durchaus offensichtliche Parallen aufweist, bekam Regisseur Fred Walton Geldnachschub für eine Fortführung der Geschichte. Wer so auf den Punkt und vor allem ohne offensichtliche Splatterhilfe an der Gurgel würgen kann, sollte schleunigst 90 Minuten ausfüllen – und dabei dann eine scharfe Kehrtwende nehmen.

Im Kontext des kompletten Films ist nämlich dieser erste Teil nur ein Prolog, der mit der Verhaftung des Killers (Tony Beckley) endet. Nach sieben Jahren kann er aus der Irrenanstalt entkommen und versucht daraufhin erfolglos, in der Gesellschaft erneut Fuß zu fassen. Frauen wollen nichts von ihm wissen, er gerät in eine Schlägerei, hadert mit seiner traumatischen Kindheit und gerät schließlich unter Obdachlose. When a Stranger Calls möchte auf einmal Sympathie für einen Teufel erzeugen, nicht er, sondern die Gesellschaft ist das Monstrum, und der ihn verfolgende Detektiv (Charles Durning) mutiert zum zynischen Jäger.

Dieser zweite, mit Abstand längste Teil des Films steht völlig konträr zum Anfang und nimmt die Täterperspektive ein, in einer ähnlichen Weise wie zum Beispiel Taxi Driver oder Maniac. Gerade in Verbindung mit dem Geschehen zuvor entsteht hier eine durchaus interessante Unterwanderung gängiger Horrorklischees, wobei aber auch festgehalten werden muss, dass dieses Psychogramm eines Mörders nur für sich genommen kaum den Bekanntheitsgrad des Films begründen kann.

Fast so als hätte Fred Walton das ähnlich gesehen, folgt deswegen als Abschluss eine Art Fortsetzung zum Anfang, als nämlich der Killer erneut Jill und ihre inzwischen anwesenden Kinder terrorisiert. Hier kann wieder eine zumindest ähnliche Spannung wie zu Beginn entstehen, wobei die abschließenden Ereignisse nun auf „ganzen“ Figuren basieren und auch eine kathartische Fortführung des Mittelteils thematisiert wird. Der Killer sucht erneut Jill auf, weil er möchte, dass der Detektiv ihn schnappt, ihn quasi von der Gesellschaft erlöst.

Nun ja. When a Stranger Calls bewegt sich irgendwo zwischen Stückwerk und erfrischend anders, doch das, was den Film wirklich auszeichnet, bleibt nach wie vor die Anfangssequenz. Das Remake von 2006, Unbekannter Anruf, bläst diese 20 Minuten gleich zu einem ganzen Film auf und die Eröffnung von Scream, eine glasklare Hommage, interessiert sich ebenfalls nur für den situativen Terror einer einzelnen Frau und immer wiederkehrender Anrufe. Es kann so einfach sein, das mit dem Nägelkauen, und dabei so mustergültig manipulieren, dass die Blu-Ray von Explosive Media durchaus Sinn ergibt – wenngleich das mit der „Neuabtastung vom Negativ“ mit einer Prise Salz zu verstehen sein sollte. Der Film ist einfach keine visuelle oder akustische Bombe, und dann gibt es ja seit längerem schon eine US-Blu-Ray, die nicht nur Mastering-Kosten sparen *könnte*, sondern zusätzlich noch Ab in die Ewigkeit enthält. Der wäre ja vielleicht auch mal eine Blu-Ray wert, hm?

When a Stranger Calls (Blu-ray)

„Haben Sie schon nach den Kindern gesehen?“ Na zum Glück nicht, sonst wäre nämlich die Horrorfilm-Geschichte um eine ihrer besten Suspense-Sequenzen ärmer. Babysitterin Jill (Carol Kane) wird eines Abends von einem Anrufer terrorisiert, der ihr unter anderem die eingangs erwähnte Frage stellt.
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